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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1869 / 50)

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Theil der Architektur, den sie sich weder in Privatateliers, noch in der 
Academie des Beaux-Arts erwerben können. Nach dem Austritte aus 
der Ecole centrale des arts et manufactures gehen sie in der Regel in 
das Atelier eines Architekten, um sich dort jene künstlerischen Kennt- 
nisse zu erwerben, deren Unterricht der genannten Schule fremd ist. 
Keiner der drei angedeuteten Wege genügt zur vollständigen Herau- 
bildung von Architekten. Die Reform des architektonischen Unterrichtes 
in Frankreich ist unvermeidlich geworden. Architekt Tre'lat hat es im 
Verein mit Architekten und einer Elite von Staatsmännern und Indu- 
striellennnternommen, eine Specialschule für Architektur zu begründen, 
die der hohen Stellung entspricht, welche die Architektur heutiges Tags 
einnimmt, und die Lücken ausfüllt, die sich in der Organisation des heu- 
tigen Unterrichtes in Frankreich fühlbar machen. Die Schule führt den 
Titel einer Specialschule für Architektur; mit dieser Schule also, die aus 
den erwähnten gesellschaftlichen Bedürfnissen Frankreichs hervorgegangen 
ist, wollen wir uns nun beschäftigen. 
In dieser Specialschule für Architektur handelt es sich vor Allem, 
die Architektur als Kunst zu behandeln und den Zögling zugleich in den 
Besitz aller wissenschaftlichen Kenntnisse, deren Beihilfe ein Architekt 
bedarf, aller Ausdrucksweisen, deren er im praktischen Leben nöthig hat, 
zu setzen. Jeder Zweig der menschlichen Geistesthätigkeit kommt bei 
dem höheren Aufschwunge in die Lage, dass die Anstalten, die sich mit 
Förderung desselben beschäftigen, ihn isoliren und ihr Ziel selbständig 
verfolgen. Unter den mit der Architektur verwandten Zweigen ist es der 
Ingenieur im weitesten Sinne des Wortes, der am meisten, am selbstän- 
digsten und am besten für seine Ausbildung sorgt. Das Strassen- und 
Eisenbahnwesen, Industrie und Manufactnr haben heutiges Tages eine 
solche Ausdehnung gewonnen, dass es unerlässlich nothwendig geworden 
ist Schulen zu gründen, die speeiell für das Ingenieurwesen und für die 
Industrie sorgen. Die Ausbildung des Architekten schwankt zwischen 
den Akademien der bildenden Künste, denen der wissenschaftliche Ap- 
parat vollständig fehlt, der zur Heranbildung des Architekten nötbig ist, 
und technischen Anstalten, welche der künstlerischen Unterlage entbehren, 
ohne welche die Architektur nicht gedeihen kann. In dem Masse als der 
Constructeur und der Ingenieur gedeihen, in dijm Masse leidet der Ar- 
chitekt; in Frankreich vor allem entwickelt sich der Ingenieur auf Kosten 
des Architekten. Der architektonische Unterricht muss der Kunst wieder 
zurückgegeben werden, diese muss der Mittelpunkt sein, um den sich 
der gesammte architektonische Unterricht gruppirt. Nach den Erfah- 
rungen, wie sie heutiges Tages vorliegen, ist es zwar gewiss, dass durch 
einen positiven architektonischen Unterricht die Kunst nicht geschaffen 
wird; aber ebenso gewiss, dass durch den Mangel eines solchen Unter- 
richtes die Kunst selbst erlahmt.
	        
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