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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1869 / 51)

Beilage zu Nr. 51 der „llllittheilungen etc." 
Alle unsere Alpenkalke sind Meereskalke, Producte des Meerlehens, auf 
dessen Boden zuletzt nach dem Absterben der kleinsten Thiere niedergelegt, 
durch mächtige, stetig wirkende Kräfte gehoben, zu Festland geworden. 
Die Reste dieses ersten Thierlebens wurden zu Stein", dieser versteinerte 
kohlenssure Kalk musste oberirdisch verwittern, andere Formen und Verbindungen 
eingehen, und diese konnten wieder allmälig in dem Maasse ins Meer zurück- 
gelangen, als dort Neubildungen derselben Art vor sich geben. 
Aber auf dem Festlande konnte sich unter Mithilfe des Kalks ein anderes, 
noch mannigfaltigeres Leben entwickeln. 
Höhere Püsnzenformen, höhere Thierformen, endlich der Mensch entstanden; 
aber keines dieser Geschöpfe oder Gebilde ohne Kalk. Keine höhere Pflanze 
gibt es, die nicht Kalk enthielte, kein Thier kann ihn entbehren, um so weniger 
entbehren, je höheren Gattungen es angehört. 
Alles Knochengerüst besteht zunächst aus Knlkverbindungen. Sie gelangen in 
den Organismus durch die Nahrung. 
In die Pflanze, die nur Lösungen als Nahrungsmittel kennt, durch das 
Wasser, welches den Kalk als Verwitterungsprodnct der Mineralien gelöst hatte; 
in das Thier theils durch das Wasser, theils durch die kalkhaltige Pflanze, die 
es verzehrt. 
Mit grösster Sorgfalt sammeln wir jetzt, nachdem unsere Einsicht so weit 
gediehen ist, diesen thierischen Kalk, um ihn als Dünger der Pflanze wieder zu- 
zuführen. 
In diesen grossen Kreislauf schaltet sich eine Metamorphose der Kalkver- 
hindungen ein, die wir willkürlich und bewusst vollziehen. 
In tausend Verbindungen bringen wir den Kalk sowohl in den künstlichen 
Zusammensetzungen, die die Chemie des Laboratoriums kennen gelehrt hat, wie 
in Mischungen, die nichts als künstliche Nachahmungen natürlicher Gesteinsbil- 
dungen sind. 
Der Mörtel ist eine solche. 
Aller thierische und menschliche Instinct war und ist auf den Kalk ange- 
wiesen, nicht nur um den eigenen Organismus zu bauen. sondern auch diesen 
Organismus in einem Zufluchtsort, einem Nest, einer Wohnung zu bergen, die 
ihn vor den Unbilden der Aussenwelt schützt. 
Erst in dieser Wohnung, unter diesem Kalkschutz entwickelt sich Intelli- 
genz und Gesittung. 
Nomaden und Höhlenbewohner sind Wilde. Die (Zivilisation beginnt erst 
mit der sichern festen Wohnung. _ - 
Weiter brauche ich diese Betrachtung nicht zu verfolgen, die sich von da 
an so leicht fortspinnen lässt. - - - 
Es genügt uns eingesehen zu haben, dass der Kalk, der Mörtel einer der 
materiellen Hauptfactoren ist in der Geschichte der (Zivilisation.
	        
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