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Kunstindustrie. Das österreichische Museum hat auf seinen Wanderaus-
stelluugen in Brünn und Pilsen, in Leitmeritz und Linz, in Prag und
Reichenberg erfahren, wie es mit der Kunstpflege nach dieser Richtung
hin steht. Darüber kann man sich keiner Täuschung hingeben.
In Graz speciell war es ausserordentlich schwer, einen Ueberblick
über die kunstindustriellen Gesammtleistungen Steiermarks zu erhalten.
Die Ausstellung war nach dieser Richtung hin nicht geordnet, noch orga-
nisch vorbereitet. Man erhielt kein Gesammtbild der steirischen Kunst-
industrie. Die Aufstellung erfolgte nicht nach Gruppen, sondern nach
malerischen Gesichtspunkten; man war wohl genöthigt, nach diesen Prin.
cipien vorzugehen, da für einzelne Gruppen das Materials nicht hinreichte.
Es war ausserdem Grazer Ausstellern gestattet, Gegenstände, die von
ihnen nicht angefertigt, sondern in aller Herren Linder angekauft waren,
zur Ausstellung zu bringen. Tapezierer, die Möbel ausstellten, nannten
weder Zeichner noch Tischler. Die Beschaffenheit des „Katalogs der
Grazer Ausstellung", von welchem noch die Rede sein wird, gibt Auf-
schlüsse über Mängel in der Organisation auf literarischem Gebiete.
Trotzdem sind einzelne sehr bemerkenswerthe Erscheinungen auf
dem Gebiete der steirischen Kunstindustrie zu Tage getreten, die, wie
fast alle Kunstindustrie der nicht italienischen Länder der österreichischen
Monarchie, Frucht der Intelligenz und der Arbeitskraft der deutsch-öster-
reichischen Volksstämme ist. Wir erwähnen die gut gefassten Ringe des
Goldarbeiters J. Haine, den Kasten des Tischlermeister J. Zugh, den
Prunkschrank (in technischer Beziehung) des Consortiums der Grazer
Tisehler-Genossenschaß (die Toilette hingegen ist ein in der Zeichnung
ganz verfebltes Object), die Tapeziererarheiten der Firma Sehmitt -- eine
innere Einrichtung eines Damenschreibzimmers - und des L. Kriewitz,
die Tischplatten in Holzmosaik des Tischlers J. Wolf in Marburg,
einige Arbeiten der ersten steiermärkischeu Möbelfahrik der Gebrüder
Trieb und Eysn, einige Steinmetzarbeiten in vorwiegend technischer
Beziehung u. A. m. So achtenswerth aber solche Leistungen sind, so
bedeutend auch der Fortschritt ist, den Steiermark auf diesen Gebieten
gemacht hat, so sind dieselben doch nur als Ansätze zu einem besseren
Streben zu betrachten, wenn man den Reichthum an Materials betrachtet,
welches Steiermark zur Verwerthung für Kunstindustrie durch die Natur
geboten ist. Nicht, was es leistet, sondern, was es bei richtiger Piiege zu
leisten im Stande wäre, muss in Steiermark in das Auge gefasst werden.
Die Kunstindustrie Steiermarks zu heben, ist die nächste Aufgabe der
Generation, die in Steiermark lebt. Wie diese Aufgabe zu erreichen ist,
darüber kann ein Zweifel nicht obwalten.
Die hervorragendsten Vertreter der Wiener Kunstindustrie, die wir,
wie heuer in Graz, so auf allen Ausstellungen der Kronländer finden,
erfüllen eine Pdicht des Patriotismus, die wir nicht dankbar genug aner-