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, Verfolgen wir nun nach dieser theoretischen Abschweifnng die Arbeit unseres
Photographen weiter.
Das Negativ oder die negative Platte dient ihm jetzt zur Darstellung der
positiven Bilder, die er, wie er sich ausdrückt, davon ,absiehen" wird. Wir
errathen beinahe, wie er das bewerkstelligen wird. Er nimmt ein Blatt Papier von
der Grösse des Negativs, welches er in einer bucbartigen Mappe vor dem Lichte
geschützt verwahrt gehabt hatte. Dieses Papier hatte er lichtempfindlich präpa-
rirt, indem er es zuerst durch Schwimmenlassen auf einer Lösung von Kochsalz
mit diesem Salze (Chlornatrium) imprägnirt und dann getrocknet hatte. Hierauf
hatte er es mit der kochsalzgetränkten Seite auf eine Silbernitrat- oder Eöllen-
steinliisung gelegt, nach kurzem Verweilen abgehoben, abtropfen und wieder mit
gewissen Vorsichtsmassregeln trocknen lassen.
Es enthält sonach eine sehr gleichmässige Schichte von Chlorsilber, ent-
standen aus dem Clilornatrium und dem salpstersauren Silberoxyd. Er nimmt
nun - noch operirt er bei Abhnltung des Sonnenlicllts -- einen Holzrahmen, in
welchen eine sehr reine Spiegelplatto eingelegt ist; auf diese Platte legt er das
Negativ, darauf mit der silbergetränkten Seite das Copirpapier, und, um dieses
an das Negativ möglichst gleichmiissig anzudriicken, presst er ein Brettchen
deckeiartig mittelst fedcrnder Spangen und Schrauben daran. v
Er kehrt den Rahmen nun mit der Glasseite nach dem Lichte und sucht
sogar möglichst directes Sonnenlicht darauf einwirken au lassen. Wir gewahren,
indem wir diese Wirkung verfolgen, bald, wie sich die früher weissen Stellen des
unter das Negativ gelegten Papieres allmälig färben, wie sie grau, dann hellblau,
etwas später purpurblau, endlich schwarz werden. - Wir unterscheiden nun nicht
mehr die Zeichnung dcs Negativs. Diese Farbenverändcrung stellt übrigens unsere
Geduld etwas auf die Probe, denn sie schreitet nicht ganz schnell vorwärts.
Der tiefe "schwarze Ton des exponlrten Papieres wird zuletzt eigenthümlich
olivenartig, und diese Nuance scheint der Künstler gewünscht zu haben, denn er
schraubt jetzt das System wieder auseinander.
Er zeigt uns bei Kerzenlicht nun das Blatt, und unsere Befriedigung wäre
fast vollkommen -- das Positiv hat die schönsten weichen Schatten und wohlauf-
gesetzte Lichter, die Zeichnung ist scharf, ohne schneidig zu sein -- doch der
ganze Ton des Bildes ist unschön und störend griiubraun.
Allein wir sehen diese Farbe bald einer kräftig warmen dunkelbraunen Platz
machen, wenn, wie der Photograph jetzt thut, das Bild in ein Bad gelegt wird,
worin sich in viel destillirtem Wasser etwas Chlorgold, doppelt kohlenssures
Natron und Oitronensaurc aufgelöst befindet. Die Farbenvariinderung riihrt von
einer Reduction des Chlorgoldes her, und man hat durch mancherlei abgeänderte
Mischungen, die rein empirisch ermittelt sind, gewisse Nuancen des Tons ziemlich
in seiner Gewalt.
Die ganze Operation heisst denn auch das Tonen der Bilder. Wieder wird
das Bild gewaschen und endlich fixirt.
Durch eine Lösung von unterschwetligsaurem Natron, dieselbe, die auch
zum Fixiren des Negaüvs gedient hatte, wird ihm, indem man es darin unter-
taucht, der Rest von unverändertem Chlorsilber entzogen, und das Bild ist nun
chemischerseits bis auf das Auswaschen fertig. Dieses letzte Auswaschen aber
verrichtet der Photograph mit besonderer Sorgfalt und andauernd, indem er ver-
sichert, dass die Zukunft des Bildes wesentlich von der vßllßiihdigen Entfernung
des unterschwetligen Natmns abhängt, welches, wenn etwas davon darin verbleibt,
verblasst und vergilbt.
Wir dehnen unseren Besuch im Atelier nicht länger aus, dann die noch
folgenden Manipulationen des Troeknsns, Aufziehen und Glättens oder Satinirens