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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 94)

wandten und Bekannten zu Stande bringen, in Verbindung mit einigen tauschenden Er- 
folgen einer Verwerrhung an gute Freunde, bei Wohlthatigkeitsbazars u. s. w., verführt 
nur zu oft zu dem Glauben, dass sich auf diese angenehme "Unterhaltung- eine Erwerbs- 
quelle gründen lasse. Dies ist aber, wie jedem mit den Verhältnissen des kunstgewerb- 
lichen Arbeitsmarktes Vertrauten bekannt ist. keineswegs der Fall. Alle die sogenannten 
whauslichen Kunstarbeitena, die Holzmalereien, Lampenschirme. Albumblltter u. s. w. 
können hie und da einmal ein Taschengeld, niemals einen Lohn der Arbeit eintragen. 
Sie mögen deshalb immerhin von Denjenigen hergestellt werden. welche ihre Freude 
daran haben; man betrachte sie aber auch nur als Gegenstände, die verschenkt sein 
wollen, um Abnehmer zu finden. Wem dagegen daran gelegen ist, an der künstlerischen 
Arbeit eine Stütze des Lebensunterhaltes zu finden. der darf nicht übersehen, dass dauernder 
und lohnender Ertrag der Arbeit nur an solche Thatigkeiten sich knüpft, deren Erzeug- 
nisse einen regelmässigen Absatz auf dem allgemeinen Verkehrsmarkte, und nicht 
aus Gunst oder Freundschaft, mit Yereins- und Staatshilfe, sondern um ihres reellen 
Werthes willen Nachfrage finden. 
Alle solche Producte muss nun die weibliche Arbeitsthatigkeit in Concurrenz 
mit geschulten männlichen Arbeitskräften herstellen lernen. von denen _bisher noch so 
gut wie alle kunstgewerbliche Arbeit geliefert wird, und hierzu gehört in allen Fächern 
anhaltende Uebung und fachgemässes Lernen oder Studium. Attsserdem aber gilt für alle 
diese Arbeiten das Gesetz: dass, je leichter und einfacher die Arbeit, um so grösser die 
Concurrenz des Arbeits-Angebots und um so niedriger der Lohn ist. Die Mäglichkeit: 
bald und mit wenig Aufwand für Studium und Unterricht etwas zu erwerben, knüpft sich 
deshalb an sehr bescheidene Lohnansprüche. Nur reichlich bemessene Lehr- und Studir- 
zeit, grosser Fleiss und vor Allem eigenthümliche Begabung gewähren die Aussicht auf 
lohnenden und dauernden Ertrag der kunstgewerblichen Arbeit. Die Facher derselben. 
welche für die weibliche Erwerbsarbeit zunächst in Betracht kommen dürften, sind: 
t. Musterzeichnen fürWeberei und weibliche Handarbeiten; 2. Photographie-Retouchiren: 
3. Holzschneiden; 4. Lithographiren; .3. Porcellanmalen. In allen diesen Zweigen können 
weibliche Arbeitskräfte bei Begabung und energischem Fleiss sich einen Erwerb sichern, 
welcher die kargen Löhne der von nledermann- betriebenen weiblichen Handarbeiten 
weit übersteigt, es sind aber auch bei allen mehr Hindernisse zu überwinden, als bei der 
überall ausgebotenen, rasch zu erlemenden Naherei und Stickerei. 
Wir fassen hier nur eine höhere Stufe der kunstgewerblichen Arbeit in's Auge. 
nicht jene untergeordneten und mechanischen Arbeiten, welche von Lehrmadchen, sobald 
sie von der Volksschule kommen, in den Fabriken und Werkstätten erlernt und betrieben 
werden, wie das gewöhnliche Coloriren, das fabrikmässige Porcellanmalen einfachster 
Muster u. s. w. Erwunscht ist ja vor Allem eine Thätigkeit für unbemittelte, aber ge- 
bildete, an die Häuslichkeit gewohnte Töchter unseres Mittelstandes. Diese müssen nun 
vorläufig sich darauf gefasst machen, dass. wenn sie überhaupt Hausarbeit erhalten können, 
die nothwendige Lehrzeit langer dauert und der Verdienst geringer ist, als bei den im 
Atelier arbeitenden Zeichnem u. s. w. mit bestimmter Arbeitszeit. Es würde vielleicht 
durch die Vermittelung der i.n dieser Richtung thätigen Vereine mit einzelnen Arbeit- 
gebern der vorgenannten Kunstgewerbszweige über die versuchsweise Einrichtung von 
Lehr-Ateliers für Mädchen ein Abkommen getroffen werden können. Denn dies ist ganz 
besonders zu beachten: der allgemeine künstlerische Unterricht (Omament- und Figuren- 
zeichnen, Anfangsgründe des Malens) bietet nur die eine Halfte der Grundlage für den 
Erwerb, theils als allgemeine Vorbereitung, theils als Fortbildung neben der prakti- 
schen Lehre. Ohne diese, die in den verschiedenen Fächern von einigen Monaten bis 
zu einigen Jahren dauert, ist die eigentliche Erwerbsfähigkeit nicht zu erlangen. 
Was die einzelnen Fächer selbst betr-iift, so eröEnen sich darin etwa folgende Aus- 
sichten: Das Musterzeichnen für Weberei erfordert für das einfache Patroniren ge- 
gebener Muster nur kurze Lehrzeit, dann 1-2 Thaler Wochenlohn. Das Patroniren mit 
Vorbildun im Zeichnen stellt 6-8 Thaler in Aussicht. - Die grbsseren Ateliers für 
Musterzeic nen beünden sich meist am Orte der betreifenden Industrie. - Selbstständiges 
Erfinden von Mustern für die Industrie konnte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, 
bei grosser Begabung und nach tnehriührigen praktischen Uebungen von weiblichen 
Kräften unternommen werden. Für das Musterzeichnen für Handarbeiten werden 
ähnliche Lohnverhaltnisse anzunehmen sein. 
Das Photographie-Retouchiren stellt schon bei leichten Arbeiten im Atelier 
einen Wochenlohn von 3 Thlr. an in Aussicht. Bei guter Vorbildung im Köpiezeichnen 
kann derselbe auf to Thlr. steigen; bei fleissiger Hausarbeit glaubt ein erfahrener Arbeit- 
geber dieses Fachs talentvollen Arbeiterinnen einen Erwerb von ca. 500 Thlr. jährlich 
versprechen zu können. 4 
Das Holzschneiden (Xylognpbie, nicht Holzscbnitzerei) würde, nach gründlicher 
Lehre im Atelier (in Leipzig ist die Regel 4ilhrige Lehrzeit und IDO Thlr. Lehrgeld)
	        
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