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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 2)

Diese Fähigkeit, den lnhalt unserer Zeit mit der Kunst in lebendige 
Beziehung zu bringen, diese poetische Kraft, das Alltägliche im Lichte 
der Schönheit zu erblicken, ist in erster Linie von den großen Malern 
ausgegangen. Leighton, Moore, Alma Tadema, die unentwegten Classi- 
cisten, Rossetti, Burne Jones, Madox Brown, die begeisterten Prärafaeliten, 
Millais, der, als Prärafaelit beginnend, den Uebergang zum Naturalismus 
gefunden, so verschiedenartig ihr Werk auch sein mag, sie Alle begegnen 
sich in dem einen Punkte, das, was sie schaffen, mit modernem Geiste 
zu durchdringen, von moderner Empfindung ausgehend, künstlerisch zu 
beleben. Zu welchen Absonderlichkeiten das revolutionäre Streben der 
Prärafaeliten mitunter auch geführt hat, ihr unvergängliches Verdienst 
liegt darin, dass sie muthig die Fesseln gesprengt, in die ein c0nven- 
tioneller Absolutismus die moderne Malerei geschlagen hatte. - Das ist 
ihr Ruhm, ihre Bedeutung, ihre Größe. - Tieferblickende haben ihren 
Werth bald erkannt und sich eifrig um den Besitz ihrer Werke beworben, 
allmälig sind aber auch weitere Kreise zur Einsicht gekommen, dass 
nicht die Vertreter des alten, unfruchtbar gewordenen Eklekticismus es 
sind, die die Zauberkraft besitzen, der Welt ihr eigenes Sein im Spiegel 
künstlerischer Verklärung vorzuhalten, sondern diese von tiefstem Kunst- 
empfinden erfüllten Männer, deren Erstlingswerke verspottet und ver- 
höhnt wurden, und die in ununterbrochenem Ringen, in unaufhörliehem 
Kampfe, sich im Laufe von vierzig Jahren endlich verdiente Anerkennung l 
erworben haben. 
Aber diese Kunst wäre ohne Zweifel nur von Wenigen verstanden 
und kaum über die Grenzen Britanniens hinaus geschätzt worden, wenn 
ihr zur Seite nicht allmälig eine andere groß geworden wäre, beschei- 
dener in ihren Mitteln, aber weitaus mächtiger durch ihren Einfluss auf 
die Massen: die Illustration. Eine Illustration, die nicht blos Wieder- 
gabe bereits bestehender Kunstwerke ist, sondern die als selbständige, 
originelle Kunst in frischer Unmittelbarkeit zum Beschauer spricht. Eine 
Kunst in Schwarz und Weiß, die ihr Evangelium der Freude und Schön- 
heit eindringlicher, vielzüngiger, deutlicher und unermüdlicher verkündet, 
wie jene einsamen Bilder in ihren goldenen Rahmen an den Wänden 
der Salons und Galerien. Eine Illustration, die durch ihre Wochen- und 
Vierteljahrshefte, ihre Märchenbücher, Prachtwerke, Reisebeschreibungen 
und Classikerausgahen in jedes Haus, in jeden Herrensitz eindringt, die 
Alt und Jung, den Städter und den Landbewohner, den Reichen und 
den Unbemittelten, den Einsamen und den Weltmann in ihre Kreise 
bannt 
Die Illustration im weitesten Sinne hat das Verständniss für jene 
großen, aber zum Theil schwer verständlichen Meister in so weite Kreise 
getragen, dass man thatsächlich behaupten kann, die gesammte civilisirte 
Welt Englands fange an theilzunehmen an ihrer Kunst, es sei wenigstens 
an einem Punkte der Culturwelt jene lebhafte Wechselbeziehung zwi-
	        
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