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schränken weiß, der wenig oder gar nicht mit Halbtönen arbeitet, Alles
in möglichst starke Lichter und Schatten auflöst, ohne sich von der Natur
zu entfernen. Ausblicke auf Fluss und Ufer über den Schilfsschnabel hin-
weg, kleine Ortschaften, armselige Dörfer, schnurgerade Dämme, die in
endlose Ferne hinausziehen, alterthümliche Städte und malerische Archi-
tekturbilder weiß er einfach und treu wiederzugeben. Ueberall kommt
eine starke Künstlerindividualität zum Vorschein, nirgends wittert man
die Photographie. Seine Skizzen aus Italien und Dalmatien zeigen dieselben
Vorzüge. Als trefflicher Charakterzeichner erscheint er in dem Büchlein
nThe Jew a: homec, worunter er den Juden in Oesterreich, Polen und Russ-
land versteht. Es ist eine ethnographische Studie voll Ernst und zugleich voll
Humor. Ein Skizzen- und Tagebuch, auf einer Reise unter Juden entworfen,
hingezeichnet ohne Hass undVoreingenommenheit, ohne sentimentaleRegung
am unrechten Orte, aber durchdrungen von echt menschlicher Empfindung,
wie z. B. in dem Bilde, wo ein alter Jude seinen Sohn an den Grab-
Stätten seiner Glaubensgenossen vorüberführt. - Als Meister des Stimmungs-
bildes zeigt sich dieser anglisirte Amerikaner in wThe London Garlandu,
wo er eine Londoner Straße bei Nacht schildert. Durch einen Riss in den
Wolken scheint der Mond herab, das Licht blitzt auf der feuchten Straße,
auf den Dächern der Wagen, auf den Huträndern der Passanten, trüb
scheinen die Laternen, wir blicken in ein tiefes Dunkel, das immer klarer
und belebter wird, je länger wir hineinsehen. Ein großstädtisches Nacht-
bild, sicher voll anheimelnder Poesie für die, die es gewohnt sind.
Ein anderer Zeichner, der durch seine topographischen Ansichten
und Skizzen populär geworden, ist Hubert Railton. Seine Zeichnungen
haben eine äußerliche Verwandtschaft mit denen Pennels. Vegetation und
Architektur sind mit pikanter Delicatesse wiedergegeben; auch er weiß
das Wesentliche mit Geschick zusammenzufassen, aber er charakterisirt
nicht mit derselben Schärfe, mit demselben Streben nach Wahrheit wie
Jener. Vieles ist nichts als bestechende Manier, daher kein Anderer so
häufig wie er von Leuten imitirt wird, denen es um einen momentanen,
leicht zu erringenden Erfolg zu thun ist.
Einer der Ersten unter den englischen Landschaftszeichnern ist
Alfred Parsons; er arbeitet vielfach vereint mit Abbey, und hat mit
diesem zusammen die wOld Songsu herausgegeben. Die Art und Weise
dieser beiden Künstler ist schwer zu trennen. Am meisten unterscheiden
sie sich darin, dass Parsons nebenbei ein unübertrefflicher Blumenzeichner
ist, während Abbey im Figuralen, namentlich in der Darstellung von
Mädchen und Frauen wenige seinesgleichen findet, wie es z. B. seine
Sketching Rambles in Holland deutlich zeigen. Parsons' Virtuosität im
Blumenporträt, das bei aller Naturwabrheit der reizendsten decorativen
Wirkung nicht entbehrt, führt ihn dahin, hauptsächlich kleine Ausschnitte
aus der Natur zu bringen. Garten, Feld und Heckengelände sind seine
häufigsten Motive. Er arbeitet mit unnachahmlicher Zartheit ähnlich wie