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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 3)

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der correcteste Act halb so viel Freude wie die schwächste von Crane's 
Figuren! Crane ist ohne Zweifel der größte Poet unter allen Illustratoren 
der Gegenwart. Niemand sonst besitzt die Kraft, Alles, was er sieht und 
zeichnet und wäre es das Gewöhnlichste und Alltäglicliste, mit wenigen 
Linien so zwanglos in die Sphäre seiner Kunst zu erheben, wie er. In 
seinen einfachsten Einfällen ist er oft am bewunderungswlirdigsten. 
Wahrhaft entzückend sind seine Blumenphantasien, denen er in 
vFloras feastu, in wQueen Summerit und in nThe Old Gardenn Ausdruck 
gibt. Da macht er Menschen zu Blumen und Blumen zu Menschen mit 
einer Grazie, die das Unmögliche selbstverständlich, das Wunderbare nur 
als natürlichen Ausdruck seiner naiven Dichterseele erscheinen lässt. Bei 
allen diesen illustrirten Büchern hat er immer das Ganze der Erscheinung 
vor Augen. Nicht nur Text und Illustration werden unter seiner Hand 
Eins, auch Umschlag, Vorsatzpapier und Titel des Buches zeichnet er 
selbst, und wenn kein Bild die Seite ziert, muss mindestens eine Rand- 
verzierung, eine Kopfleiste, eine Initiale oder sonst ein Ziermotiv er- 
scheinen, das die Verbindung zwischen dem Frliheren und dem Folgenden 
herstellt. S0 wird das Buch ein geschlossenes künstlerisches Ganzes, dem 
sich weder etwas hinzufügen noch wegnehmen lässt, zu dem nichts 
Fremdartiges hinzugetreten, ein in seiner Kunstsphäre vollendetes Indi- 
viduum. Wer sich eine Weile mit ihm beschäftigt, empfängt den Ein- 
druck, Alles im Leben sei schön und voller Poesie, man habe die Dinge 
bisher nur nicht aufmerksam genug angesehen. Seine Erfindungsgabe 
erscheint unerschöpflich. Das Märchen, das Kinderbuch, die Illustration 
von Liedern und Gedichten sind sein Hauptgebiet. Seiner classicistischen 
Neigung ist er namentlich in den "Echos of Hellasu und in vThe Tale of 
Troyt- gefolgt. Aber er mag Phidias oder Botticelli vor Augen haben, 
Alles ist von modernster Empfindung und Gedankenrichtung getragen 
und durchdrungen. Seine Compositionen sind in der Regel in duftigen, 
leichten Tönen colorirt, was sie noch anmuthiger erscheinen lässt, ohne 
dass ]edoch für ihn die Buntheit nöthig wäre, um sich völlig zur Geltung 
zu bringen. Sein letztes, eben vollendetes großes Werk, die Illustration 
von Spensers vFaerie Queeneu, ganz in Schwarzdruck, gehört vielmehr zum 
Reichsten, Gehaltvollsten und künstlerisch Bedeutendsten, was er ge- 
schalfen. 
Um Walter Crane gruppirt sicli eine Schaar anderer mehr 
oder minder talentvoller decorativer Künstler. Viele davon haben sich 
blos seine Manier angeeignet, manche aber auch ein ganz respectables 
individuelles Talent entwickelt. So Kate Greenaway, die bekannte Ver- 
fasserin zahlreicher Kinderbücher; Sumner, der Manches gezeichnet, was 
den besten Blättern Walter Ctane's zur Seite gestellt werden kann; 
Batten, der sich mit großer poetischer Kraft in die Welt der Märchen 
versetzt, der den bestrickenden Reiz jugendlicher Prinzessinnen, die phan- 
tastische Zaubetwelt des Orients, die mondbeglänzten Liebesnächte
	        
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