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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1897 / 6)

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Es ist leicht erklärlich, dass die veränderte Technik in stilistischer 
Beziehung ihren Ausdruck fand. So lange die einzelnen Theile, welche 
eingelegt werden sollten, aus verschiedenen Furnirstücken herausgeschnitten 
und dann in das Grundholz eingesetzt wurden, wie bei den lncrustationen, 
oder so lange man Theil an Theil fügte wie bei einem Mosaik, hatte 
man hinsichtlich der Hauptanordnung der Zeichnung völlig freie Hand. 
Jetzt nun, da man Grund und Einlage auf einmal schnitt, war es von 
Vortheil, wenn möglichst große Stücke, sei es vom Grunde, sei es vom 
Ornamente, in der Zeichnung zusammenhingen, damit sie beim Schneiden 
nicht auseinander fielen. Es entstand hierdurch eine eigenartige Decoration, 
bei welcher nicht allein das Ornament als solches wirken, sondern oft 
auch der Grund bestimmte ornamentale Hauptformen aufweisen musste. 
Das sogenannte reciproke Ornament zeigt uns, zwar nicht gleiche, aber 
doch verwandte Erscheinungen. Später, bei den Schildkrot- und Messing- 
einlegearbeiten, werden wir noch einmal darauf verweisen müssen. Da, 
wo die eben besprochene Art der Verzierung bei lntarsien nicht angewandt 
werden sollte, ließ man an jenen Stellen, an denen sich Ornamenttheile 
kreuzten, schmale Stege vom Grunde stehen, um diesen zusammen- 
hängend zu erhalten, soweit dies anging. 
Bei den älteren italienischen lntarsia-Arbeiten, die bereits freies 
Ornament behandeln, sehen wir sehr deutlich den Zusammenhang mit 
anderen Techniken. Bei ihrer Betrachtung fällt uns sofort die stilistische 
Eigenthümlichkeit des Ornumentes auf. Sie erinnert, zum Theil wenig- 
stens, an Holzmosaik, zum Theil auch an lncrustationsarbeit. Man 
sieht deutlich, wie z. B. einzelne Blumen zusammengesetzt und dann 
mit polygoner Begrenzung in das Grundholz eingelassen worden sind. 
Auch sonst trägt das Ornament vollständig das Gepräge der hierzu an- 
gewendeten Technik, wie wir dies schon vorher in anderer Weise bei 
den Laubsägearbeiten beobachteten. Die Einschnitte der Blätter mit ihren 
wenig gebogenen oder geraden Linien lassen sofort eine Arbeit mit dem 
Schnitzmesser erkennen. Es hätte vom stilistischen Standpunkte keinen 
Werth, dieses Gepräge mit der Laubsäge, die selbst die freieste Linien- 
führung mit Leichtigkeit zulässt, nachzuahmen. So wenig correct - 
nach modernen Begriffen - auch diese italienischen Schöpfungen vom 
Ausgange des 15. Jahrhunderts sind, so außerordentlich reizvoll sind sie 
in ihrer Gesammtwirkung. Zu dem Schönsten, das in dieser Art vor- 
handen ist, gehören die ornamentirten Füllungen eines Chorgestühles, 
welches gegenwärtig in den königlichen Museen zu Berlin sich befindet. 
Angebrachte lnschriften belehren uns über den Schöpfer dieser Arbeiten; 
es ist ein Mitglied der oberitalienischen Holzbildnerfamilie de Marchis 
(oder delle Marche), nämlich Pantaleone de Marchis. (Siehe 
W. Bode, wDas Chorgestühle des Pantaleone de Marchisu.) 
Die Ornamentation des berühmten Chorgestühles in der Certosa bei 
Pavia stimmt in der Art der Ausführung mit der soeben besprochenen
	        
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