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Sehr beachtenswerth hinsichtlich der figuralen Theile ist eine Reihe
von Stücken eines großen Tafelaufsatzes, bestehend aus verschieden ge-
formten Fruchtschalen, die von bronzirten Karyatiden, Harpyen und ge-
flügelten Putten, die in Akanthuslaub endigen, getragen werden. Sockel
und Schalen sind weiss mit Goldmalerei. Mehrere dieser Stücke tragen
die Jahreszahl 1807. Verwandt mit ihnen in Form und Ausführung ist
ein dreiseitiger Untersatz, dessen Tragplatte von drei ägyptisirenden,
knienden Figuren gestützt wird. Er trägt die Bezeichnung 1808, ist ver-
muthlich auch ein Theil eines aus mehreren Piecen bestehenden Tafel-
aufsatzes und repräsentirt uns das ziemlich häufige Genre der ägypti-
sirenden kunstgewerblichen Plastik, das durch die ägyptische Expedition
Napoleons in Mode gekommen ist. Alle diese Stücke sind ganz in der
Weise Grassi's modellirt. "Sie werden ergänzt durch zwei becherförmige,
weiß und Gold geränderre Vasen mit bacchischen Scenen in bronze-
farbigem Relief auf ihrer Oberfläche, die unzweifelhaft von Grassi her-
rühren, denn das Museum besitzt die von ihm gearbeiteten Modelle
dieser Vasen (Nr. t3g2 und 1393, Frau Ida v. Gutmann-Wodianer).
In diese Gruppe gehört ferner ein Tintenzeug mit Leuchter, ebenfalls
weiß mit Gold, der plastische Schmuck matt bronzegrün gefärbt, der
Leuchter in Form eines geflügelten Sphinx. (Bez. 1806. - Graf Hugo
Abensperg-Traun.)
In diese ganze, nach abstracten Schemen construirte Formenwelt
brachte nun der Decor einen frischen Pulsschlag individuellen Lebens.
Indem er vielfach an Interessen des Tages und herrschende Stimmungen
anknüpft, schlägt er eine Brücke von der Antike in die Gegenwart. Da
kam nun jener Rest von Anmuth und Grazie, jene oft mädchenhaft
zarte Empfindung zur Erscheinung, die bereits der vorangegangenen Kunst-
epoche eigen war, und ihr mit Recht den Beinamen einer Boudoirkunst ge-
geben, auch alle jene Naivetät und Sentimentalität, die uns heute so fremd-
artig anmuthet, endlich alle jene Gelehrsamkeit in künstlerischen Dingen,
die seit Winkelmann in gebildeten Kreisen zum guten Ton gehörte.
Das gab einen Reichthum und eine Fülle von Motiven, eine Unzahl von
Combinationen, die kaum zu übersehen ist. Wir müssen uns begnügen
die wichtigsten Arten festzustellen.
Den Abtheilungen der Malerschule entsprechend, entstehen vier
Hauptgruppen. Das figurale Genre, das landschaftliche, das
mit Blumen verzierte und das rein ornamentale. Wir beginnen mit
dem letztgenannten, denn es ist das eigenartigste, vornehmste und
wichtigste, das, welches die Wiener Erzeugnisse am meisten von
anderen unterscheidet. Diese Eigenart entsteht durch Anwendung
des Reliefgoldes. eine Erfindung von Perl, dem Leiter der Verg0lder-
classe oder vielleicht des Chemikers Leithner. Es handelte sich im
Wesentlichen darum, das Gold an bestimmten Stellen so dick aufzu-
tragen, dass sichtbare und durch Glanzlichter charakterisirte Erhaben-