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Den Kern der mageren Composition bilden Denkmäler bekränzende
Genien, scbnäbelnde Tauben, geborstene Säulen, Opferaltäre, brennende
Herzen und Aehnliches. Inschriften und Monogramme ergänzen den
Sinn des Dargestellten. Viele dieser Gläser sind auf besondere Bestellung
als Erinnerungs- und Familienstücke angefertigt worden. Ein besonders
bemerkenswerthes Stück dieser Art ist ein Glaspocal mit niederem Fuß
(Nr. 1330, Nordböhm. Gewerbe-Museum), geschliffen und gravirt. Vorne
eine Gruppe: einer weiblichen Gestalt huldigt ein Mann in römischer
Rüstung, Kinder bringen Blumenkränze herbei. Seitwärts auf einem
Postamente lesen wir: wAnna von Neunkirchenu. Ueber dem Bilde
tragen _Genien die Inschrift: nWürde der Frauen-x, auf der Rückseite ist
die erste Strophe des gleichnamigen Gedichtes eingravirt. - Viele andere
Gläser dieser Art wurden zwar nicht auf Bestellung, sondern für den
Markt angefertigt, haben aber nachträglich durch Hinzufügung beziehungs-
voller Inschriften oder einfacher Monogramme, die in freigelassene Felder,
Medaillons oder Wappenschilder gravirt wurden, ein persönliches Moment
aufgenommen, das ihnen einen intimen Charakter verleiht. -- Mag auf
solche Weise immerhin noch manches Anmuthige geschaffen worden
sein, im Ganzen zeigt sich in diesen Erzeugnissen ein arger Verfall der
Graveurkunst.
Eine zweite, einst sehr vornehme Gattung des Hohlglasdecors, die
ebenfalls im Absterben begriffen ist, ist die Verzierung in Gold, be-
stehend in der Vergoldung der vertieften gravirten Ornamente oder in
der Decorirung in aufgernaltem Gold auf der glatten Oberfläche. Für
beide Arten sind in den Nummern 1333 und 1328 Beispiele vorhanden,
die, obwohl noch nicht jeden Reizes bar, Spuren des Niederganges bereits
deutlich an sich tragen.
Das neu aufblühende Genre, dem sich die allgemeine Gunst zu-
wendet, ist das schwere, geschnittene und geschliffene Kristall-
glas. Das Empire hat hier nichts zu schaffen. Fern von der allgemeinen
Kunstströmung, unbekümmert um Classicismus und akademische Lehre,
erfindet sich der böhmische Schleifer seine Formen selbst. Die schwierige
Technik reizt ihn zu kühnen Profilirungen, unverdrossener Fleiß und
mühevolle Genauigkeit, das allgemeine Kriterium des Kunstgewerbes
jener Zeit geben seinen Arbeiten eine gewisse ethische Bedeutung, aber
nach künstlerischer Richtung tritt eine unverkennbare Verwilderung ein.
Von Arbeiten solcher Art besitzt die Ausstellung in den Nummern 1350,
1359-1362, 1366 etc. (Karl Gindra) lehrreiche Beispiele, zu denen sich
noch Varianten hinzugesellen, bei welchen durch farbigen Ueberfang
polychrome Wirkungen herbeigeführt werden (Nr. 1356 und 1365).
Der Uebergang zu diesen Formen vollzieht sich aber nicht plötzlich
und unvermittelt, vielmehr spielen die früheren Decorationsarten vielfach
in das neue Genre hinein. Gravirung oder Vergoldung gesellen sich an-
fänglich zum Schliff gerne hinzu, die glatten Flächen noch mit einem