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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 7)

Aul solchem ehrenvollen und verantwortungsreichen Posten, in 
häuslicher Behaglichkeit, die freilich durch welt- und ortsgeschichtliche 
Ereignisse, kirchliche Schwierigkeiten, Familienschrnerz, arge Seelen- 
nöthe vielfach gestört wurde, hat er mit aufopfernder Gewissenhaftigkeit 
sein reformatorisches Evangelium mit ungewöhnlicher Kraft und Fülle, 
mit hewundernswerther Beredsamkeit, mit Geist und Eigenthümlichkeit 
seiner Bergwerksgemeinde verkündet, Gelehrten und Analphabeten, Alten 
und Kindern, Reichen und Armen, Ueberzeugten und Zweifelnden; nicht 
nur als der weitaus bedeutendste sämmtlicher Prediger der Stadt, sondern 
einzigartig unter den lutherischen Geistlichen des Königreiches, über sein 
Jahrhundert hinaus, und einen ehrenvollen Vorderplarz unter allen 
Kanzelrednern seiner Tage hehauptend. 
lm Gegensatze zu dem aus Noth und Laune damals unglaublich 
häufigen Amtswechsel widerstand er den Lockungen auf die Leipziger 
Hochschule; er lehnte auch die Betheiligung am Tridentiner-Concil ab; 
folgen musste er einer Vorladung nach Prag. Die lange drückende Ge- 
witterschwüle kam zur Entladung, der Schmalkaldische Religionskrieg 
entlud sich. 
Die Joachimsthaler geriethen dabei in einen umso peinlicheren Wider- 
streit der Pllichten gegenüber ihrem Bekenntnisse und der Obrigkeit, als 
ihr Bezirk an der Grenze des protestantischen Sachsen hinlief, so dass 
er eine politisch-militärische Wichtigkeit erhielt, und als die Actionäre 
der Gruben zum Theile in Sachsen lebten, woher ja auch die meisten 
Knappen stammten. Die Verhältnisse verwickelten sich noch mehr durch 
die Haltung der böhmischen Stände. Was im Anfange der Reformation 
gedroht hatte, eine Verbindung des neubelebten Husitismus mit der deut- 
schen Bewegung schien jetzt im Anzuge; die Gemüther wurden durch 
protestantische und katholische Flugschriften erhitzt. Im Archiv der Statt- 
halterei in Prag sind die Acten erhalten, die uns die stürmischen Vor- 
ginge in Joachimsthal und den Antheil des Mathesius daran schildern. 
Der springende Punkt war der, dass die Joachimsthaler mit seiner 
Zustimmung sich auf den Schutz der Grenzen beschränken, aber nicht 
über diese hinausziehen wollten. Auf Grund heftiger Berichte der könig- 
lichen Commissäre wurde Mathesius summt dem Bürgermeister und 30 
Bürgern nach Prag zur Verantwortung vorgeladen. Wochen vergingen, 
ehe die Audienz vor König Ferdinand bewilligt wurde. Wäre es nach 
den grimmigen Commissären gegangen, hätte man ihnen den Hochver- 
rathsprozess gemacht, bei dem ihnen ihre Ketzerei auch nicht zur Em- 
pfehlung gedient bitte. 
Wir haben auch noch die lateinische Vertheidigungsschrift von 
Mathesius an den König, die bescheiden und männlich, gewandt und 
tapfer gehalten ist. Das aus Missgunst und Klatsch gesponnene Nessus- 
hemd, das man ihm über den Kopf geworfen, war gerissen. Freilich 
bekennt er sich in gewissem Grade zu dem Hauptpunkte, dass die Joa-
	        
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