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zujubelte. Seine engeren Landsleute, die Meißener, die er in philolo-
gischer Spielerei schon von Homer gerühtnt werden lässt; seine Heimat
Rochlitz. Das Wappen der Stadt zeigt Schachfiguren; Mathesius bringt
den König dazu, denn einen hervorragenderen Sohn hat Rochlitz in alter
und neuer Zeit nicht aufzuweisen. Wie der Ort der Lebensarbeit war
der der Geburt eine Bergstadt. Die bedeutenden Porphyrsteinbrüche des
Rochlitzer Berges wurden bereits seit Jahrhunderten ausgebeutet. Zu den
stattlichen Gewerken gehörte der einer Aufklärung zuneigende Rathsherr
Wolfgang Mathesius; sein dritter Sohn, am Täufertag 1504 geboren,
unser Johannes. Er sollte auch für den Bergwerksbetrieb herangebildet
werden, allein der fruchtete nicht recht; wir treffen den t7jährigen,
verwaist und verarmt, auf einer Nürnberger Lateinschule. Nürnberg, das
deutsche Venedig, das Auge uud Ohr Deutschlands, eine Weltstadt freiester
Bewegung, erreichte damals seine Sonnenhöhe in kaufmännischer, staat-
licher und künstlerischer Beziehung. Die weithin winkenden Kirchthürme,
die Häuser mit den vorspringenden Erkern, die Brunnen, deren Guss-
bilder von heidnischen, jüdischen und christlichen Helden erzählten; die
Kaiserburg, die starken Befestigungen, flößten Stolz und Bewunderung
ein. Die geistige Regsamkeit. der Nürnberger Witz war sprichwörtlich,
die spitze Zunge zugleich gefürchtet. Die einheimischen Waaren fanden
nach allen Richtungen Absatz, orientalische und indische wurden ein-
geführt. Der lebhafteste Verkehr mit dem Auslande, namentlich mit Italien,
weckte und nährte den Sinn für Wissenschaft und Kunst.
Die beiden gothischen Haupt- und Pfarrkirchen, die ältere von
St. Sebald und die jüngere von St. Lorenz, standen seit dem Ende des
I5. Jahrhunderts in herrlicher Vollendung da, während die Liebfrauen-
und Spitalkirche die Stadt schon weit früher zierten. Noch nicht
lange war Adam Kraft verblichen, der so lebendig und innig seine Pas-
sionsgestalten relief-irte und die St. Lorenzkirche durch sein Hauptwerk,
die in ihrer Spitze sich neigende Riesenfiale des Sacramenthäuschens,
schmückte, das von Eoban Hess bis Longfellow besungen ist.
Noch nicht lange hatte Veit Stoß für dieselbe Kirche seine Meister-
schöpfung voll Wärme und Anmuth, den "englischen Gruß-l, geschnitzt,
die Verkündigung, deren deutsch-sinnige Madonna aus dem Rahmen der
Rundbilder des Rosenkranzes blickt; noch nicht lange hatte Peter Vischer
den Guss des Sebaldusdenkmals vollendet, das höchste Heiligthum deutscher
Kunst, in der geistreichen Vereinigung des gothischen Stils und der
Renaissanceformen, des Naiven und Großartigen.
Albrecht Dürer, der deutsche Apelles, hatte seine zweite, wohl
fruchtbarste und vielseitigste Periode abgeschlossen. - Auch die Wissen-
schaft hatte in Nürnberg ein glänzendes Heim gefunden.
Neben den hurnanistisch-freieren Regungen fehlten die kirchlichen
Leistungen nicht, die Nürnberg den Ruhm der frömmsten Stadt des
Reiches verschafften, obwohl sie zugleich seit Alters als eines der be-