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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1896 / 11)

unterworfen, aber in ihrem reichen Schaffen, wie in ihren künstlerischen 
Grundsätzen spiegelt sich der Kampf gegen dieselben Bbm Nach einer 
liebevollen und treffenden Charakteristik SchinkeVs und seines segens- 
reichen Einflusses wendete sich der Vortragende dem anderen Choragen 
der modernen Architektur, Gottfried Semper, zu. uDieser, eine Persön- 
lichkeit von ganz ungewöhnlichem Naturell, welches ihn unter allen Ver- 
hältnissen zu einer hervorragenden Bedeutung gebracht haben würde, 
gelangte ziemlich spät erst zu jener Thätigkeit, die ihn nebst Schinkel 
zu dem einflußreichsten Architekten unserer Zeit gemacht hat. Seine 
umfassende, humanistische und gelehrte Bildung wird die Grundlage 
und gibt auch die Erklärung zu seinem Wirken, welches für die Wissen- 
schaft von nicht geringerer Bedeutung, wie für die Kunst geworden 
ist. Jede seiner architektonischen Schöpfungen kann als ein Problem 
gelten, für das seine Schriften die wissenschaftliche Begründung geben. 
Diese letzteren sind es vornehmlich, welche die wichtigsten Resultate 
seiner gründlichen Forschungen zu Tage fördern und die ihm unter den 
Neueren den ersten Platz als Theoretiker und Lehrer verbürgenm lhm 
verdanken wir zunächst eine tief eingreifende Klärung der architektonischen 
Principien und die Begründung einer vpraktischen Aesthetiku für Tech- 
niker und Künstler. 
Auf solchen Grundlagen hat es denn die neue Generation weit 
leichter, als es den vorangegangenen ward, die höheren Aufgaben der Bau- 
kunst zu vollführen. Ein Uebelstand ist wohl nicht zu übersehen. Das 
moderne Zeitalter ist eine Epoche raschester Umgestaltung der Zustände. 
Der Wechsel erfolgt oft zu schnell, als dass der architektonische Formen- 
process all jenen Uebergängen folgen könnte; höchstens kommt dadurch 
ab und zu eine gewisse Unruhe in die Baubestrebungen. uDie Baukunst 
bedarf-l, wie der Vortrag sinnreich bemerkt, wzur organischen Entwick- 
lung ihrer Formen einer gewissen moralischen Temperatur, wie die 
Pflanzen eines bestimmten physischen Wärmegradesn. Doch in dem 
großen Hauptzug dürfen wir, nwenn nicht neue Rückschläge sie daran 
hindernu, eine bedeutende Zukunft für die Baukunst hoffen und uns an 
den Fortschritten, die sie bereits in jüngster Zeit gemacht hat, redlich 
erfreuen. Große geistige Mächte, von denen auch die Kunst einen ge- 
waltigen Einfluss verspüren muss, bewegen die Welt. uUnser-Jahrhundert 
hat eine ebenso tiefgehende Umgestaltung der Anschauungen vollzogen, 
wie jenes 15. Jahrhundert, das die Kunstform der Renaissance zeugte. 
Die Entwicklung und Verbreitung der positiven Wissenschaften, ihr Ein- 
fluss auf alle Lebensverhältnisse mehren sich fortwährend. Die Gewerbe 
und die Industrie empfangen neue Impulse von der Wissenschaft, derLeuchte 
unseres Jahrhunderts. Die Wissenschaft ist es auch, die auf dem Gebiete 
des Staats- und Volkslebens fortwährend heilsame Fortschritte bewirkt. 
Die Welt wird, wenn auch nur sehr langsam, in allen socialen und ge- 
sellschaftlichen Fragen klüger und vor Allem menschlicher. Eine so
	        
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