Architekt, der nur auf die Schaumaske des Gebäudes gegen die Straße
hin sein Augenmerk gerichtet hätte. Der Zweck muss die Form des Bau-
werkes bestimmen! Von diesem Grundsatze ging unser Meister aus. Und
da im gegebenen Falle mehrere Zwecke unter Dach zu bringen waren,
so ergab sich daraus als weiteres Gestaltungsprincip das Gruppensystem
der ganzen umfassenden Anlage. wEs lag nahe-n, so commentirte Ferstel
in einer Denkschrift seinen eigenen Plan, wjene Räumlichkeiten, die sich
ihrer Größe und Bedeutsamkeit nach am entschiedensten von der Mehr-
zahl der übrigen trennen, in Gruppen zusammenzufassen, die schon im
Grundriß eine gesonderte Behandlung erfahrenm Die Art der Grup-
pirung des großen Bauvierecks der Universität ist nun folgende. Das
schlank erhöhte Festsaalgebäude - dieser akademische Tempel für die
feierlichen Acte - stellt sich mit dominirendem Eindruck in die Mitte
der Hauptfacade, wie ein Sonderbau in dem größeren Gesammtbau. Unten
das mit bedeutendem Raurnsinn angeordnete Vestibule, eine offene drei-
schiflige Halle mit weiter Säulen- und Bogenstellung - oben in gestei-
gerter, feierlicher Pracht die Aula, deren Plafond jedoch auf die Decken-
gemälde noch harrt. Nach der Ringstraße hin treten beiderseits die mit
den zierlichsten Pavillons ßankirten Seitenflügel in starkem Ruck hervor,
und fassen die schmucke, giebel-bekrünte Doppelloggia der Portal-Archi-
tektur in ihre Mitte. In jener Axe der Gesammtanlage, welche sich quer
durch das ganze Gebäude vor den großen Hof legt, hat Ferstel weiter
das Meisterstück seiner Innen-Architektur hingebreitet und hinaufgebaut.
Da liegen die beiden majestätischen Treppenhäuser einander gegenüber,
welche geradezu als ein moderner Bautriumph in der Lösung des Treppen-
problems zu bezeichnen sind. Nach innen öffnet sich nun der imposante
Hallenhof, wdas Herz des Universitätsbauesu, wie Ferstel selbst ihn nennt.
Er wusste es genau abzuschätzen, wie viel für die Wirkung gewonnen war,
"eines der schönsten, vielleicht das vollkommenste Motiv, das die Re-
naissance geschaffen hatu, seinem Werke einzufügen. Ohnedies gehörte zur
Zeit der Blüthe und der noch immer stattlichen Nachbllithe des Stiles in
Italien zum Bauprogramme der Universität, des Arciginnasio, des höheren
Collegs ganz unerlässlich die große Hofanlage. Ferstel hat sich den
Baugedanken seines Hofes, die Halbsäulensysteme der Pfeilerarcaden,
ebenso das weiträumige Ausmaß der umlaufenden Hallen aus Rom her-
beigeschaEt; das machtvolle, antik-römische Motiv der Arcadengürtel der
Amphitheater und jenes der stolzesten Anordnung des Palasthofes im
Sinne der späteren Hocbrenaissance, wie etwa im Palazzo Farnese, gehen
da wohllautend in einander über, eigenthümlich ausgeglichen durch das
individuelle Formgefühl des Wiener Meisters.
Zu beiden Seiten des großen Hofes strecken sich (nach Ferstel's
eigener Bezeichnung) die eigentlichen wLehrgebäudec hin, die nach außen
die erhöhten Hauptmassen der Seitenfacaden bilden. Nach innen enthalten
diese beiderseits zwei größere und zwei kleinere Höfe, und inmitten