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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Bukowina

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Schon von der Eisenbahnstation Luzan erscheint dem Auge in der Entfernung von 
etwa fünfzehn Kilometern das anmuthigeBild der Landeshauptstadt Czernowitz, die, 
einem Schwalbennest vergleichbar, hoch oben auf einem aus dem Pruththal steigenden 
Hügel liegt, und sich dieser hohen Lage wegen der weitesten Fernsicht erfreut. Zu ihren 
Füßen rauscht der Pruth, über den sich zwei mächtige Brücken spannen, unter welchen die 
im Dienste der Eisenbahn stehende aus jüngeren Tagen stammt. Während nach Passirnng 
des Bahnhofes die Schienenstraße südwärts durch eine schluchtenartige Bodensenke gleitet 
und somit Czernowitz von seinem „Weinberge" bis zum Rot'schen Meierhof im weiten 
Bogen umkreist, führt die Reichsstraße bergauf in die Landeshauptstadt, anfänglich von 
kleinen Häusern begleitet, später von größeren und großen umstanden. Erfreulich ist die 
Metamorphose, die Czernowitz in verhältnißmäßig kurzer Zeit an sich erfahren hat, denn 
dort, wo vor einhundert Jahren kaum zwanzig gemauerte Häuser sich befanden, erheben 
sich heute stattliche Häuserreihen, vielfach geschmückt durch monumentale Bauten und schöne 
große Kirchen, und dort, wo noch im Jahre 1840 — also vor achtundfünfzig Jahren! — 
ein einziger öffentlicher Wagenvermiether sein notdürftiges Auskommen fand, rollen 
heute lustig über einhundert Fiaker und Einspänner durch die Stadt, uneingedenk der 
zahlreichen Privatequipagen und eleganten Herrschaftskutschen, die zur Physiognomie der 
Stadt redlich das ihrige beitragen. Der überaus rege Verkehr auf Straßen und Plätzen, 
die luxuriösen Auslagen der Kaufleute und Industriellen, die zahlreiche Beamtenschaft, 
Hoch-, Mittel-, Fach- und Volksschulen, die starke Garnison, der Clerus dreier christlicher 
Consessionen mit allem Pomp, der an ihnen haftet, die vielen Behörden, Geldinstitute, 
Vereine, die eleganten Hotels, Kaffee- und Gasthäuser, Wasserleitung, Canalisation, 
elektrische Beleuchtung und Tramway re., alles das gibt Czernowitz den Nimbus einer 
Stadt, die den Anlauf zur Großstadt macht. Das Centrum der Stadt ist der sogenannte 
Ringplatz, in welchen nicht weniger als acht Gassen münden, die in verschiedene Stadttheile 
führen. Hier steht auch das stattliche Rathhaus mit seinem hohen Thurm, dessen Spitze einen 
mächtigen vergoldeten Doppeladler trägt. Die Stadt nimmt mit ihren vier Vorstädten 
Klvkuczka, Rosch, Horecza und Kaliczanka ein sehr weitläufiges Terrain ein, was die 
natürliche Haft ^aß der Ausbau sich nur sehr langsam vollzieht. Die Krone 
aller Bauten ist die erzbischöfliche Residenz, die an Schönheit und Großartigkeit weithin 
von keinem ähnlichen, im byzantinisch-maurischen Stile gehaltenen Bau übertroffen wird. 
Unter den ärarischen Bauten ragen die k. k. Landesregierung und die Franz Josephs- 
Universität mit ihrem stilvollen Museum, unter den zahlreichen Kirchen die Herz Jesn- 
Kirche hervor. 
Nördlich, etwa drei Kilometer von der Pruthbrücke entfernt, schließt sich an die 
Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn die Localbahn von Nowosielitza. Sie führt an Sadagöra
	            		
13 vorüber, einem Marktorte, der bis zur Grenzsperre gegen Rumänien für den Ochsenhandel der Bukowina von der namhaftesten Bedeutung war und der Sitz eines Rabbinates ist, das zahlreiche Anhänger unter der orthodoxen Judenschaft Rußlands, Rumäniens, Galiziens und Bnkowinas besitzt. Aus der kleinen Hüusermenge lacht uns der dominirende Edelsitz der Freiherren von Mnstatza entgegen. Hart an den Marktort tritt eine Reihe von meist bewaldeten Hügeln, welche in weitem Bogen das ebene Land umsänmen, so der Moszköw und die Koznszna, an deren Füßen Felder und Wiesen und die Ortschaften Zuczka, Mahala, Bojan, Gogulina rc. liegen. Nicht minder reizend ist das rechte Prnth- ufer, das beständig seine steile Erhebung aus dem Pruththale behauptet, aus blauem Tegel besteht und fortwährend mit kahlen und bewaldeten Partien wechselt. Dort oben liegen die Dörfer Ludihorecza, Ostritza und Zurin und ist namentlich Horecza wegen seiner schönen Eichenwaldung, wie nicht minder wegen der kleinen Kapelle bemerkenswerth, welche die Kaiserin Katharina II. von Rußland erbauen ließ. Sie ragt mit ihrem Thurm kaum über die Gipfel der Bäume, aber ihr Helles Weiß schimmert weit in die Ebene hinaus. An ihrer linken Seite erhebt sich wie bei den meisten orientalischen Kirchen die stereotype Glockenmauer, die in ihren Nischen drei kleine Glocken trägt, deren Klang
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