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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 1)

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heitssinn begabten Bevölkerung nicht blos das Ziel vergnügungssüchtiger 
Reisenden, sondern durch ihre Akademie auch die Sehnsucht einer 
ganzen strebsamen Künstlergeneration wurde. Wenn sich heute die 
Kunstanschauungen geändert haben und die ganze ästhetische Auffassung 
jener Tage eines Winckelmann und Klopstock von den Modernen abge- 
lehnt wird, so darf dies doch nicht das Urtheil des Historikers zur Un- 
gerechtigkeit bestimmen. Es war doch ein großer Zug in dem künst- 
lerischen Streben jener Jahrzehnte, aber Winckelmann selbst, der Pfad- 
finder der antiken Kunstgeschichte, wurde durch überschwängliche Be- 
gcisterung in falsche Bahnen gelenkt und zu einer Auffassung der 
Antike als einer Kunst voll süßlicher Lieblichkeit, Ruhe und Weichheit 
geführt. Alle Welt jubelte ihm damals zu und die nächste Folge war, 
dass die Künstler, welche zu Winckelmann's Fahne schwuren, die 
gleichen Vorzüge und Mängel einer Mischung von Idealismus und 
Manirirtheit zur Schau tragen. Der Führer der ganzen Wiener Künstler- 
schaar war Decennien lang der Maler Heinrich Füger, hier in milderen 
Formen dieselbe akademische Tyrannis übend, wie David in Paris. 
Auch die Schabkünstler, welche aus der Schule Jacobefs hervor- 
gingen, mussten sich schon als reproducirende Künstler der Richtung 
Füger's einordnen. Aus} ihrer stattlichen Zahl ragen besonders drei 
hervor. 
Der erste, der Bozener Joh. P. Pichler, vertauschte nach miss- 
glücktem Debut in der Malerei den Pinsel mit dem Schabeisen und bald 
wurden seine Blätter denen seines Lehrers vorgezogen. Anfang der 
Neunziger Jahre wurde er vom Fürsten von Anhalt-Dessau berufen, für 
die neuerrichtete chalkographische Gesellschaft mehrere Platten nach 
berühmten Gemälden der Galerien in Braunschweig, Cassel und Dresden 
zu liefern. Nach mehrjährigem Aufenthalte in Dessau kehrte er nach 
Wien zurück, bekam nach dem Tode seines Schwiegervaters Jacobe 
1797 die provisorische Leitung von dessen Schule, erlebte aber die Er- 
nennung zum definitiven Professor nicht. Er war wohl Pensionär des 
kais. Hofes und des Fürsten Liechtenstein und verdiente durch seine 
Arbeiten viel Geld, das er aber nicht festzuhalten wusste, so dass Frau 
und Kind in Armuth zurückblieben. Von seinen etwa 100 Blättern ent- 
fällt die Hälfte auf zumeist treffliche Porträts (Fürst Kaunitz [x98] und 
Prinz Joh. v. Liechtenstein [x99] von unendlicher Feinheit), 17 Blätter 
bringen altes und neues Testament, 26 Blätter Mythologie und antike 
Geschichte. Etwa 12 große historische Blätter nach Füger sind heute 
wegen ihrer prononcirten, antikisirenden Richtung im Sinne David's 
unbeliebt, wogegen einige Blätter nach alten Meistern, wie: nDer Triumph 
der Omphalea, nach A. Turchi (zu), "Die Söhne Rubensht (205) und 
zwei reizende Blumenstücke nach Huysum (212 und 213), aus seinem 
Todesjahre 1806 stammend, zu den geschätztesten Schabkunstblättern 
überhaupt zählen.
	        
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