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Wappenbuch der Städte und Märkte der gcfiirsteten Grafschaft Tirol
Innsbruck i894. Eigenthum und Verlag des Museums Ferdinandeum.
Das vorliegende Buch hat eine interessante Entstehungsgeschichte: Ein warmer
Freund Tirols, Franz Freiherr von Lipperlieide, fasste die schöne Idee, ein Gemach
seines im Unterinnthale bei Brixlegg herrlich gelegenen Schlosses mit den Wappen der Städte
und Märkie dieses Landes auszuschmücken und betraute mit der Ausführung derselben
einen jungen, talentvollen Künstler, Karl Rickelt. Der um die Landesgcschichte vielfach
verdiente Custos des Museums Ferdinandeum, Konrad Fischnaler, übernahm es, das
sachliche Material für das geplante künstlerische Unternehmen beizustellen. Dem lie-
mühen I-'ischnaler's, der Aufgabe zu entsprechen, stellten sich jedoch gleich am Beginne
erhebliche Schwierigkeiten dadurch entgegen, dass sich in der Litteratur des Landes nicht
überall die Belege fanden und nur durch mühevolle Forschung auf historischem und
sphragistischem Gebiete sich constaiiren ließ, welche Ortschaften thatsachlich berechtigt
seien, sich nStadta oder nMarktc zu nennen, und welche Wappen die endlich eruirten
Gemeinwesen urkundlich oder traditionell zu führen berechtigt seien.
Custos Fischnaler hat seine Aufgabe, wie vorauszusehen war, sehr ernst ge-
nommen; er ist in manchen schwierigen Fallen Schritt für Schritt in die frühesten
Zeiten zurückgegangen, um die Spuren des municipalen Ranges und der heraldischen
Zeichen mancher Oertlichkeit aufzufinden, und seine erzielten Erfolge müssen auch Dem-
jenigen, der mit der Landesgeschichte naher vertraut ist, vollen Beifall abnötiiigen,
denn es ist damit ein Werk geschaffen werden, wie ein gleiches keines der Lünder
Oesterreichs aufzuweisen hat.
Das Resultat dieser sorgfältigen Detailforschungen war so" bedeutend, dass es in
der Litteratur seine Stelle ehrlich verdiente, und dieser Ueberzeugung hat auch der
Anregcr des Gesammtgedankens, Freiherr von Lipperheide, durch die Herausgabe dieses
Wappenbuches in überaus dankenswerther Weise Rechnung getragen.
Karl Rickelt hat in seinen 48 Wappen und vorab seinem prächtig gezeichneten
Titelblatte mit dern sAquila Tirolensiss den Stil des späteren I5. Jahrhunderts und damit
eine Periode der schönsten künstlerischen Entfaltung der Heroldskunst gewahlt. Die
Figuren sind correct und einige, wie z. B. St. Michel (33), bei aller Stilstrenge elegant
gezeichnet. Wir kennen übrigens Rickelt's Talent schon aus einigen Illustrationen in dem
Werke: lPhilippine Welseru urtd freuen uns auch diesmahherzlich über seine ausgezeich-
neten Leistungen.
Das Buch, in schöner Schwabacher Schrift auf geschopftem Papier gedruckt, ist
von einer tadellosen Ausstattung und macht der Firma Wagner in Innsbruck alle Ehre.
Freiherr von Lipperheide hat die gesammte Auflage des Werkes sammt den Platten dem
Museum Ferdinandeum zum Geschenke gemacht. Wendelin Boel-ieim.
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La Reliure du XIXE siecle. Par Henri Beraldi. Premiere partie. Paris,
L. Conquet, i895. 4". XIV, iz5 S. M. 60.
Dieses Buch gehürt zur Gattung jener specifisch französischen Litteratur-Erzeugnisse,
die, halb im Tone ernster Ausführungen, halb in lustiger Gespraclisform abgefasst, einen
Leserkreis im Auge haben, der bei allem Interesse für ernstere Lectüre doch gleichzeitig
die Unterhaltung nicht entbehren will. Uns bleibt Verdruss und Unbehagen beim Lesen
solcher Bücher selten erspart. Will sich aber Einer die Mühe geben, das Thatsachliche
auszulösen, so erhalt er eine recht gute Uebersicht über den Pariser Kunsteinband der
ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, und gewinnt ein Gesammtbild, das um so deutlicher
und anschaulicher ist, als die zahlreichen Heliogravuren mit sicherem Blick für das
Charakteristische ausgewählt wurden.
Beraldi beginnt mit einer historischen Einleitung, beschreibt dann den Buch-
einband unmittelbar vor Beginn des Empire, jenen schwachlichen Decor im späten
Louis XVL, der noch bis etwa iSio angetroEen wird, und schildert im Folgenden, auf
sein eigentliches Thema übergehend, das Eindringen des Empire. Die Buchbinder
Mairet und Lefebvre treten in den Vordergrund. Beide überragt jedoch Bozerian,
der schon unter dem Directoire berühmt, der eigentliche Träger der Pariser, Buchbinder-
kunst des Empire wird. Er hatte einen jüngeren Bruder. der sich demselben Berufe
widmete und sich ebenfalls einen Namen machte, ohne jedoch wie jener ein eigenes
Genre zu schaffen. Die Zahl der Modelle dieser Zeit ist bescheiden. In der Mitte sieht man
gewöhnlich eine große Raute, ringsum einen Rand von Palmetten. Originelle Erfindungen
beschränken sich auf die Ausstattung des Rückens. Höchste Exactheit in der Ausführung
bildet den Hatiptvorzug dieser Bande. Es folgt die Restauration. Ihre berühmtesten
Buchbinder sind Purgold, Simier und Thouvenin. Unter diesen hat der Erst-
genannte die Vollendung und Genauigkeit am weitesten getrieben; er ist der Gründer
Jahrg. i895. 27