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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 5)

wicklung des Kunstgewerbes in's Auge fassen werden. Als Entschul- 
digung für diese Beschränkung sei aber gleich betont, dass die Verhält- 
nisse auch in den übrigen Ländern, die für das moderne Kunstschalfen 
in Betracht kommen, nicht wesentlich anders liegen. Und nicht minder 
wird man sagen dürfen, dass auch die Sculptur und Malerei, im großen 
Ganzen, einen analogen Entwicklungsgang wie die Architektur in der 
modernen Zeit durchgemacht haben. Blos die nächst der Musik modernste 
aller Künste, die Malerei, scheint sich neuestens, tbeilweise wenigstens, 
auf Bahnen zu bewegen, die uns in der That in neue, bisher uner- 
schlossene Kunstgebiete führen könnten: ein nur halbwegs sicheres Urtheil 
darüber ist aber heutzutage doch noch so gut wie unmöglich. 
Der erste Anstoß zum Werden einer modernen Kunst war gegeben 
in dem Momente, da seit den Reuaissancen des 15. und 16. Jahrhunderts 
wieder einmal das allgemeine Gefühl sich geltend gemacht hat, es könne 
mit der Kunst nicht so weiter geben. Dieser Moment ist in der zweiten 
Hälfte des vorigen Jahrhunderts eingetreten; bis dahin wäre also der 
erste Anstoß zur Heranbildung der modernen Kunst zurückzudatiren. 
Die Kunst, die damals die herrschende gewesen ist und die eben dem 
Zeitgeschlechte überlebt und verbesserungsbedürftig vorkam, war in un- 
seren Ländern das späte Barock, das sogenannte Rococo. Der Barockstil 
war, wie wir schon vorhin festgestellt haben, ursprünglich als ein fremder 
in Deutschland eingedrungen. ln Folge dessen war er auch niemals so 
fest und innig mit dem Volke verwachsen wie die Stile, aus denen die 
früheren Renaissancen hervorgegangen sind. Es ist also schon von vorn- 
herein anzunehmen, dass man in Deutschland auch nicht so zähe an dem 
Barockstil festgehalten haben mag, sobald sich die Versuchung zeigte, 
einer anderen Stilweise zu folgen. In der zweiten Häfte des vorigen 
Jahrhunderts empfand man also bei uns allgemein das Bedürfniss, sich 
vom Rococo loszusagen. Und sah man sich in Deutschland nach einer 
besseren Stilweise um, die man einer Renaissance der Kunst zu Grunde 
legen konnte, so mochte nach der ganzen damaligen Kunstlage in Europa, 
nach Allem, was man in den führenden Kunstländern - Italien und 
Frankreich - sehen konnte, nur ein Stil dafür in Betracht kommen: 
die Antike. 
Die Antike war aber auf deutschem Boden etwas völlig Neues, 
Fremdes, oder besser gesagt Fremdgewordenes. Während die früheren 
echten Renaissancen sich zur Durchführung ihrer Kunstverbesserung 
jederzeit an die nächstverwandte Kunst gewendet hatten, so griff die 
deutsche Kunst nun abermals, so wie sie es schon im r6. Jahrhundert 
gethan hatte, nach einer landfremden Kunstweise. 
Dazu kam noch ein Zweites. Die Antike selbst, an die man, sich 
diesmal wandte, war eine andere als diejenige, die man bei allen bis- 
herigen Renaissancen stets in's Auge gefasst hatte. Bisher war es immer 
die spätrömische Antike gewesen, in der ja sämmtliche nationale Stile 
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