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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 9)

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richtige Zeichnungen herzustellen, aber auch von lediglich erst in der Vor- 
stellung bestehenden Begriffsdingen Werkzeichnungen und Naturformen 
zu schaffen, die den Gegenstand der Phantasie in das Reich der Sinnen- 
welt bringt. Dieser Vorgang ist von jedem Gesichtspunkte: philosophisch, 
logisch und lehrmäßig unanfechtbar und wohl geeignet, als grund- 
legend zu gelten. So wird nicht einseitig nur die rein theoretische oder 
nur die praktische Richtung verfolgt, sondern beide Bethätigungen des 
denkenden Schaffens auf dem Lehrfelde des Constructionsfaches zu einer 
pädagogischen Einheit verbunden. 
Der Schüler kann nun, indem der Unterricht stets seiner geistigen 
Entwicklung und den erworbenen zeichnerischen Fertigkeiten folgt und 
auf der jeweiligen Stufe seiner Fortschritte die Anschsuungs- und Denk- 
kraft reift und vertieft, ohne Ermüdung und ohne Unruhe hinsichtlich 
des endlichen Gelingens seiner Studien, dem ersehnten Ziele der Aus- 
bildung zugeführt werden. Kleinlich erweist sich daher der gegen dieses 
Unterrichtssystem seinerzeit erhobene Vorwurf bloßer Empirie, von dem 
in Anbetracht der im raschen Verlaufe eines Schuljahres erzielten Erfolge 
nichts übrig bleibt, als die durch einseitige Ueberschätzung eines bloß 
theoretischen Unterrichtes bedingte Ueberhehung. Von dem Gesichts- 
punkte der Ablehnung praktischer Unterrichtsmomente, die von Anstalten, 
die unmittelbar für das praktische Leben vorzubereiten berufen sind, nun 
einmal nicht abgelehnt werden können, verruöchte man auch den Nutzen 
des Handfertigkeitsunterrichtes, der Lehrwerkstätten, ja des Anschauungs- 
unterrichtes selbst zu bestreiten. Gerade durch dieses Lehrsystem wird 
der schwerwiegende Erfolg möglich, der in dem Erlernen des Vor- 
getragenen in der Schule besteht. Diese Leistung ist aber nie hoch 
genug anzuschlagen! Die im Zuge des programmrnäßigen Unterrichtes von 
dem Schüler zuwege gebrachte Bewältigung und Erledigung des Vortrags- 
stotfes im Lehrzimruer setzt Letzteren in den Stand, über einen ansehn- 
lichen Theil seiner freien Zeit verfügen zu können; er braucht, behufs 
geistiger Verarbeitung des Constructionsfaches, dann nicht bei schmau- 
chender Lampe seine Nachtruhe zu kürzen, vermag demnach übermäßige 
oder doch ermüdende Arbeiten, die seiner Sehkraft, sowie dem körper- 
lichen Gedeihen nachtheilig werden könnten, nach Thunlichkeit abzuweisen, 
und gewinnt so Muße, die allgemein bildenden Fächer, deren 
Gehalt und Nachwirkung im Leben den eigentlichen Brotstudien gleich zu 
achten sind, eingehend zu pflegen und so den Eckstein zu einer harmo- 
nischenGesammtausbildung zu setzen. 
(Schluss folgt.)
	        
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