xuu
Ueber modernes technisches Zeichnen und über
Volksakademien ').
Von Prof. Jul. Kajetan.
Bevor ich in die Besprechung der grundlegenden Punkte desjenigen
Thema's, das ich mir für meine Auseinandersetzungen zurecht gelegt
habe, des Näheren eingebe, mag es mir gestattet sein, einige einleitende
Worte zu sprechen. Diese klingen fast wie eine Entschuldigung dafür
aus, dass ich mich eines StoEes bemächtige, der schon vielfältig, sei es
im Wege des Schriftthums durch Abfassung von einschlägigen Artikeln
und Abhandlungen, sei es durch mündlichen Vortrag, durchforscht und
bearbeitet wurde und sohin als erschöpft gelten sollte. Das technische
Zeichnen stand hinsichtlich dieser Studien allerdings erst in zweiter
Linie und diesen Unterrichtsstolf hervorzuheben und ihn in Bezug auf
Schule und Praxis in's Licht zu stellen, soll mein vornehmliches Be-
mühen sein. Die Ueberzeugung, dass es mir gelingen dürfte, auf dem
bezogenen Gebiete Lehrmeinungen und Ansichten vorzubringen, denen
man Ursprünglichkeit und sachliche Originalität nicht ganz absprechen
werde, veranlassten mich, auf meinen Stoff zurückzukommen und mich
des Glaubens sein zu lassen, dass die Stunde, die meinem Vortrage ge-
widmet wird, nicht zu den verlorenen gezählt werden müsse.
Wenn ich den vielverzweigten Gegenstand, über den ich mich zu
verbreiten gedenke, überblicke, so werde ich von diesem am besten ein
klares Bild zu liefern im Stande sein, wenn ich seinen Inhalt capitelweise
zur Darstellung bringe. Ich werde zuerst eine kurze geschichtliche Ein-
leitung voraussetzen, sodann sachliche Erörterungen phegen und schließlich
die Ergebnisse meiner Ausführungen in das Ganze vereinigenden Grund-
sätzen aussprechen. Im Anschlüsse hieran komme ich zur eingehenden
Besprechung einer, durch eine höchst beachtenswerthe Strömung in weiten
Kreisen der Bevölkerung Wien's getragenen, heute noch unzureichend
gekannten, nach Anlage und Zweckdurchfübrung aber zukunftverheißenden
localen Kunst- und Lehrinstitution: der Wiener Volksakademie.
Den Angelpunkt meiner Ausführungen gewinnend, bemerke ich,
dass das Lehrsystem, welches der große Franzose Monge io. Mai 1746
errichtete und das ein rein theoretisches Lehrgebäude der descriptiven
Geometrie darstellt, noch vor Kurzem nicht nur an unseren Hochschulen,
sondern auch an den Mittelschulen aller Kategorien das allein geltende
war. Imposant ausgestattet, durch eine große Litteratur in allen Zweigen
ausgebaut, stellt es sich uns heute vor und erscheint geeignet, die füh-
rende Rolle auch an den gewerblichen Schulen höherer Kategorien zu
übernehmen, wenn ihm ein sicheres und tragfähiges Fundament als
Unterlage hiefür gegeben wäre. Ein solches muss aber vorerst hergestellt
') Vortrag, gßhllten im k. k. Oesterr. Museum Im 21. Februar 1895.