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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 3)

 
alle möglichen und unmöglichen personificirten Begritfe herbeiruft, um 
seine Helden zu feiern. Freilich gehört der festliche Sinn der Venezianer 
oder die gewaltige sinnliche Kraft eines Rubens dazu, solch sprödetn 
Stoffe wirkliches Leben einzublasen. (Malereien des Dogenpalastes in 
Venedig, Leben der Königin Maria de Medicis in der Galerie des Luxem- 
bourg). 
Der römische Medaillon zeigt eine eigenthlimliche Entwicklung. 
Während im l. und z. Jahrhundert n. Chr. der Bronzemedaillon - 
in Italien durch das Schwergeld der Republik ohnehin populär - fast aus- 
schließlich herrscht, erscheint im 3. Jahrhundert der Silbermedaillen, 
der seinerseits im 4. Jahrhundert der Herrschaft des Goldmedaillons 
weicht, während die Bronze nunmehr gänzlich verschwindet. In diesem 
stufenweisen Aufsteigen zu immer größerem Materialprunke, dem das Sinken 
derkünstlerischen Arbeit nahezu proportionirt ist, liegt ein Symptom. Nicht 
nur von außen schwillt die Flut der Barbaren gegen das römische Reich 
heran, auch im Innern ist dies zersetzende Element stiller, doch nicht 
weniger geschäftig am Werke. Schon die Dynastie des Septimius ist 
fremden, semitischen Ursprungs; sie hat den Namen der Antonine nur 
usurpirt. Dann folgen aber die Soldatenkaiser, welche allen möglichen 
Barbarengegenden angehören; ihre Münzen zeigen ein Geschlecht, das in 
seiner äußeren Erscheinung weit von dem auch in der Hässlichkeit 
charaktervollen Römertypus früherer Zeit abweicht. Einige Zeit noch ist 
die Kunst des Stempelschneiders im Stande, mit treuer Realistik diese 
Barbarenköpfe nachzubilden; aber schon unter dem Geschlechte der 
Constantiner vermag sie dessen edlere Bildung nur mehr schematisch 
wiederzugeben. Von da an beginnt der nicht zu hemmende Verfall; das 
Porträt im eigentlichen Sinne verschwindet und macht einer andeutenden, 
lallenden Kindersprache Platz, die nur mehr durch Aeußerlichkeiten dürf- 
tigster Art den Dargestellten kennzeichnen kann s). 
Diesem Barbarenthum nun, das die römische Gesellschaft durch- 
sickert und auflöst, ihren Geschmack plebejisch und ihr Auge stumpf 
macht, imponirt natürlich nicht sowohl die schöne Form, als das kostbare 
Material. Wie die unscheinbare Bronze dem schimmernden Silber, dem 
gleißenden Golde Platz macht, so weicht in den Kaiserpalästen und in den 
Kirchen des neuen Glaubens die feinere Malerei fast gänzlich dem goldglän- 
zenden, mühsamen, in's Weite wirkenden Wandmosaik. Jene schweren 
pflindigen Goldmedaillons aber gingen als Ehrengeschenke - etwa wie 
heute die Orden - an die Barbarenhäuptlinge jenseits der Grenzflüsse, die 
das römische Gold in ihren Schatzkammern bewahrten und mit ins Grab 
nahmen. Die fast immer wiederkehrende stolze Inschrift dieser Stücke: 
Ruhm der Römer (GLORIA ROMANORVM) steht freilich in traurigem 
') Bei den byzantinischen Münzen kann man, abgesehen etwa von der individuellen 
Bnrttracht (Konstnntinos Pogonaies, der Blrtige), höchstens mehr von einem Porträt 
des detaillirt behandelten Ccstümes sprechen.
	        
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