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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 3)

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Contraste mit den Zuständen des Reiches 9), allein der Imperator trägt 
nicht nur iigürlich auf seinen Bildern den Nimbus ums Haupt, der 
Glanz desselben leuchtete noch immer bis in die Sümpfe der slavischen 
Wälder und bis an die finnischen Seen und sollte noch lange in den 
Augen der Nordvölker magische Kraft behalten. 
Mit dem weströmischen Reiche verschwindet auch der alte, ohnehin 
schon entartete lmperatoren-Medaillon; auch die Byzantiner, sonst die 
treuesten Bewahrer der antiken Form, haben ihn außer sporadisch in 
der ersten Zeit nach der Reichstheilung nicht mehr verwendet. Sein 
Aufhören fällt etwa mit dem Verschwinden der lateinischen Staatssprache 
zusammen. Der Stempelschnitt bleibt natürlich durch die Münze fort- 
während in Uebung; mehr als die kümmerlichen Producte der mittel- 
alterlichen Münzstätten erhielt aber ein anderer, jetzt zu viel größerer 
Bedeutung kommender Zweig der Graveurkunst den Zusammenhang auf- 
recht. Die Siegel") füllen die große Lücke aus, welche in der Geschichte 
der Medailleurkunst während des Mittelalters klafft; denn die Arbeit des 
Siegelstechens ist, technisch betrachtet, dieselbe wie bei der Herstellung 
einer Medaillenmatrize. An ihnen lässt sich die Entwicklung eines neuen 
von der alten Kunst völlig abweichenden Stiles, des heraldisch-orna- 
mentalen, verfolgen, dessen Ursprung dem Norden, dessen Ausbildung 
der Gothik Frankreichs angehört. 
Denn von der Wende des 13. Jahrhunderts an ist dieses Frankreich 
zum ersten Mal in Cultur und Kunst, mit seinem Ritterwesen und seiner 
Scholastik, in der Poesie seiner Trouveres und Troubadours, sowie in 
seiner neuen Bauweise und Tracht das führende Land für alle abend- 
ländischen Völker, Selbst Italien kann sich diesem Eintiusse nicht ganz 
entziehen, nimmt ihn aber viel selbständiger auf; hier auf diesem tausend- 
jährigen Culturboden sind doch ganz andere Erinnerungen wach als 
selbst in den so intensiv romanisirten Provinzen Gallien und Spanien; 
hier wohnt im Thale noch dasselbe Latinervolk, das einst in Toga und 
Sagum einherschritt, wenn auch oben im festen Kastell über dem Muni- 
cipium der fremde Feudalherr wie ein Falke im Nest sitzt; ganz anders 
als der germanische Adel in den slavischen Marken des deutschen Reiches, 
der seine Stammesart bis auf den heutigen Tag vollständig gewahrt hat, 
wird jener sehr bald selbst zum Romanen. Und so ist das Bewusstsein 
9) Solche pfßndige Goldmedaillons, zumeist Unica, bilden einen kostbaren Besitz des 
kunsthistorischen Hofmuseums. Sie stammen zum Theil nus einem Barblrenlchltze, der 
im vorigen hhrhundert zu Szilägy-Somlyö in Siebenbürgen gefunden wurde. Noch König 
Chilperich erhielt, wie Gregor von Tours erzählt, ein ganz ähnliches schweres Goldstück 
mit der eben genannten Aufschrift von Tiberius II. zum Geschenke und wies es dem 
Geschiehtschreiber der Franken als ein kostbares Stück seines Schatzes vor. 
") Leeoy de in Marche, Les scenux; Tresor de glypt. et nurn. Sceaux (Paris 1834); 
Hefner, Die deutschen Kaisersiegel. Ueber mittelnlterliehe Denkmünzen ist gehandelt 
von Dunnenberg in der Zeitschr. für Numismatik, Bd. Xlll, 325.
	        
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