' graphie mehr sieht als das menschliche Auge und Dinge sichtbar macht, die wir ohne
sie nicht erkennen würden. Schon um dieser Ausführung oder Wiedergabe willen he-
wundern wir die Schriftstücke. Zum anderen Theil aber bringen uns diese Illustrationen
niannigfach {Ornamente und Costümfiguren, mit Welchen die Originale verziert sind.
Beide sind willkommen, nicht blos um ihrer Schonheit willen, sondern auch, weil die
Schriftstücke, auf denen sie vorkommen, ihre Zeit und Herkunft bestimmen lehren
Noch manche andere Kenntniss, wie z. B. die Geschichte des Schreibpapiers, können wir
diesem nFührern, der jedenfalls ein sicherer Fuhrer ist, entnehmen, wie denn alle Ab-
theilungen sammt den Excursen von den drei Verfassern, Karabacek, Krall und Wessely,
aus den vielseitigsten Gesichtspunkten gearbeitet sind. So speciell das Werk erscheint,
so viele Freunde wird es sich dennoch erwerben. J. v. F.
O
Geschichte der ltarolingischen Malerei, ihr Bilderkreis und seine Quellen.
Von Franz Friedrich Leitschuh. Mit 59 Abbild. Berlin, G. Siemens,
1894. 8". 4.71 S. M. 4.
Das Erscheinen dieses Buches ist recht bezeichnend für den Umfang und die
Richtung, welche die deutsche Kunstgeschichtsforschung in den letzten Jahrzehnten ge-
nommen hat. Als Schnaase in der zweiten Auflage seines unübertroffenen Geschichts-
werkes in der Lage war, der karolingischen Kunst ein eigenes Cspitel widmen zu können,
da durfte dies gleichbedeutend gelten etwa mit der Entdeckung eines neuen, unbekannten
Landes. Von dieser Entdeckung datirt erst die allgemeine Ersetzung des aByzantiaischenc
durch das uRomanischea in der abendländischen Kunstterminologie, und damit die Er-
kenntniss von einem selbständigen Entwicklungsgang der mittelalterlichen Kunst, der in
gerader Linie von der spatromischen Antike zur Gothik geführt hat. Und nun, nachdem
seit jenem denkwürdigen Momente noch nicht drei Decennien verflossen sind, hat sich
schon das dringende Bedurfniss herausgestellt, allein für die Malerei der Karolingerzeit
eine pracise, übersichtlich zusammenfassende Darstellung zu liefern: so sehr war der
in zahlreichen Zeitschriften und Monographien verstreute einschlägige Stoü" seither an-
gewachsen. Und diese Darstellung, wie sie mit dem citirten Buche vorliegt, füllt ein
dickes Buch von 47! Seiten! Dabei ist zu erwägen, dass uns von karolingischer Wand-
malerei so gut wie gar keine Denkmäler erhalten sind und somit als monumentales Sub-
strat fast ausschließlich Werke der Miniaturmalerei in Betracht kommen konnten. Es
ist aber auch zu sagen, dass dem Verfasser bei seiner langjährigen, dem Gegenstande
im Besonderen gewidmeten Arbeit nicht eine Seite derselben verborgen geblieben ist,
dass er sie alle mit gleich großer Liebe und Sorgfalt in seine Gesammtbetrachtung ein-
bezogen hat, und seine Darstellung daher als eine recht dankenswerthe Erscheinung auf
dern Gebiete der deutschen Kunstgeschichtschreibung begrüßt werden darf. Rgl.
Ü
Festons und decorative Gruppen nebst einem Zieralphabet aus Pflanzen
und Thieren, Jagd-, Touristen- und anderen Geräthen. Photographische
Natur-Aufnahmen, zusammengestellt und herausgegeben von Martin
Gerlach. 146 Taf. Lichtdr. mit farb. Tbnanlagen nebst 6 S. 'l'ext.
Wien, Gerlach St Schenk (1893). Fol. H. 108.
Die Photographie, ursprünglich von den Künstlern mit so scheelen Augen ange-
sehen, ist langst deren unentbehrliche Dienerin geworden. lmmer mehr erweiterte sich
ihre Berufssphare und bis heute scheint die Grenze derselben noch nicht erreicht. Die
vorliegende Puhlication ist ein neuer Beweis dafür. Es liegt der Versuch vor, das gebotene
Vorbilder-Material nicht allein genau und scharf wiederzugeben, sondern in einem kunst-
lerischen Arrangement mehr oder minder definitiv zu futiren. Festons, decorative Gruppen,
Flacbenverzierungen, Friesfüllungen, Panneaux, ein ganzes Zieralphabet, förmliche Still-
leben u. s. w. sind in bereits fertigen Bildern zusammengestellt, Der Herausgeber ist dabei
mit großer Umsicht vorgegangen, hat mühevolle Arbeit nicht gescheut, eine Fulle von
Pflanzen und sonstigen Motiven gesammelt, zum großten Theil Lichtdrucke von genu-
gender Scharfe und Klarheit herzustellen verstanden und die lebendige Wirkung überdies,
wo es wunschenswerth war, durch Hinzufügung zarter Farbentone wesentlich erhöht.
Den Pßanzenbildern, die den Hauptinhalt ausmachen, muss auch das Lob natürlicher
Ungezwungenheit und Grazie ertheilt werden.
lm Gesammt-Arrangement macht sich jedoch nicht immer eine glückliche Hand
bemerkbar, es leidet mitunter an Ucberfulle und trifft manchmal auch nicht das ent-
sprechende Großenverhaltniss der verschiedenartigen Objecte zu einander. Dies gilt nn-
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