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wie die Eberjagd und der den Münzen von Akragas nachgeahmte Adler-
horst auf Medaillen Alfons von Neapel, der betende Reiter und die
reizende Darstellung des Löwen, dem ein Putto das Singen beibringt
auf den Medaillen des Palaeologen und Lionello's von Este, endlich die
in stiller Mondnacht, in steiniger Landschaft träumende Jungfrau mit
dem Einhorn irn Schoße, das sind einzige Kunstwerke, aus denen der
unendliche Zauber jener beginnenden Frührenaissance spricht, die noch
nicht, wie an ihrem Ende und z. B. in der letzten Zeit Filippinds, in
einen kindischen, hastigen und überzierlichen Barockstil ausgeartet ist.
Ö
Wir wenden uns über die Alpen nach Deutschland. Hier tritt die
Medaille erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf; ihre erste Anregung
hat sie auch hier wiederum vom Münzatelier erhalten. Um 1483 wurde,
vielleicht von Bernhard Beham, der erste Thaler in der Münze von
Hall zu Tirol geprägt. Das Vorbild der neuen, bald allenthalben nach-
geabmten Münze ist, wie ich glaube, im nahen Mailand zu suchen; dort
wurden schon unter den Visconti's solche große flache Silberstücke ge-
prägt, die auf der berühmten Bozener Messe, diesem wichtigen Vermitt-
lungspunkte zwischen deutschem Norden und wälschern Süden, gewiss
in Umlauf kamen. Das erhaltene Probestück jenes Thalers kann man
aber in seiner stark erhabenen Arbeit als die älteste deutsche Medaille
betrachten 1') .
lrn Jahre 1506 hören wir dann ausdrücklich von einem welschen
vStämpBgraber-i, den Max I. aus Mantua nach Hall berufen hat. Es ist,
wie wir seit Kurzem wissen, Gian Marco Cavalli, der für die Gonzaga
gearbeitet hat und zu Mantegna in nahen Beziehungen gestanden ist 19).
151i lässt Maximilian seine Vermählungsmedaille, welche der Italiener
Giovanni de Candida gefertigt hatte, in Hall nachschneiden.
Liegt in diesem Grenzlande der italienische Einßuss auf die deutsche
Sternpelschneidekunst zum ersten Male zutage, so ist es ebensowenig
zweifelhaft, dass in den beiden Centren der deutschen Renaissance-
knnst Augsburg und Nürnberg, wo die deutsche Medaille ihre schönste
Blüthe entfaltet hat, die Anregung ebenfalls aus Italien gekommen ist,
aus dem Lande, das zu diesen beiden Kaufniannsstädten in so mannig-
faltigen Beziehungen stand. Aber nur die Anregung: denn gerade die
") Domnnig. ÄCIIESKC Mednilleure in Oesterreich, Jahrbuch der Kunstnmmlungen
des Allerh. Kaiserhauses, Bd. XV. - Schon von Gian Galeazzo (1385-1401), dem Gründer
der Cerxosa von Pavia, existirt ein großes medaillenarliges Goldstück (-_- 10 fiorini) mit
seinem nahezu schon im Renaissanceslil gehaltenen Porträt. Gnecchi, Mon. di Milano,
T. VIII, x; siehe dort auch die Silbermünzen der Visconti im 15. Jahrhundert.
") R. v. Schneider. Di.un medaglistn anonimo mamovano. Rivista iuliana di
numismaiicn 1890; Gian Marco Cevalli im Dienste Mnximilinnä I. Jahrbuch der Kunst-
sunmlungen des Allerh. Kniserhauses, Bd. Xlll; Heiss, J. de Candida, rnednilleur et
diplomnle sous Louis XI 210., Rev. numismalique 1391.