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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IX (1894 / 5)

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Theile an der Pßanze weit weniger fühlbar empfinden, als am Tbiere. 
Also auch unter diesem Hinblick bleibt die Pflanze das Verwendungs- 
fähigste und zusagendste Vorbild für die Ornamentbildung, so lange nur 
die bildende Kunst innerhalb der natürlichen Grenzen ihres Schaffens 
verbleibt. Und darin ist sie verblieben bis auf unser Jahrhundert, ja im 
Allgemeinen bis auf den heutigen Tag. 
Unterziehen wir nun die Motive, welche die moderne Ornamentik 
aus dem Pflanzenreiche entlehnt hat, einer Büchtigen Musterung. Charak- 
teristisch sind da für unsere Zeit des Strebens nach Erreichung der natür- 
lichen Erscheinungseßecte um jeden Preis diejenigen Pfianzenornamente, 
die ihreVorbilder mit all ihrer plastischen und farbigen Wirkung möglichst 
täuschend wiederzugeben trachten. Zweierlei wird nun dem unbefangenen 
Beschauer an diesen naturalistischen Blumenornamenten auffallen: 
erstens, daß sie in der Regel gemalt sind, d. h. ausgeführt in der ftlottesten, 
flüssigsten, aber auch Hüchtigsten Technik; ferner daß der Untergrund, 
auf dem sie sich entfalten, die Objecte. zu deren Verzierung sie zu dienen 
haben, überwiegend vergänglicherer, minder ernsthafter Natur sind: z. B. 
Fächer, Ofenschirme, wenn es hoch kommt, Porzellanwaaren u. dgl. Wo 
es sich dagegen um plastische Verzierungen handelt, und überhaupt um 
Gegenstände, die für eine längere Dauer berechnet und daher in soliderem 
Material ausgeführt sind, also vor Allem um Gegenstände monumentalen 
Charakters, dort ist das Pflanzenornament von einer anderen Beschaffen- 
heit, es zeigt andere Motive in einer anderen Verbindung unter einander. 
Jene nach malerischen Principien zusammengestellten Sträußchen und 
Guirlanden von Rosen, Veilchen, Nelken u. s. w. unserer heimischen 
Flora machen hier fremdartigen Gebilden Platz, die eine an mineralisch- 
geometrische Configurationen anklingende stilisirte Behandlung auf- 
weisen, und auch in einer regelmäßig und symmetrisch disponirten Ver- 
bindung untereinander stehen. 
Dieses stilisirte Pflanzenornament ist nicht wie jenes naturalistische 
eine Erfindung unserer modernen Zeit. Wir vermögen die stilisirten 
Pflanzenornamentformen in der Kunstgeschichte weit zurück bis in das 
Alterthum zu verfolgen. An den Werken von ernsthafterem, monumen- 
talerem Gepräge hält also die decorative Kunst selbst in unseren Tagen 
noch an den überlieferten Ornamentformen lest. Es geht da in der 
Kunst zu wie im politischen Leben. Es ist leichtes Volk, das sich zuerst 
begierig zu Neuerungen bekennt: entweder ideale Schwärmer und Phan- 
tasten, oder arme Schlucker, die nichts zu verlieren haben. Alles hin- 
gegen, was über erworbenes Ansehen und materielles Gut verfügt, bleibt 
conservativ, und vor Allem diejenigen, die bis zur Stunde das Regiment 
geführt haben. Eine analoge Stellung genießt in der Kunst vor Allem 
die Architektur: sie ist die angestammte Herrscherin über das ganze 
weite Gebiet der Kunstgewerbe. Indem sie conservativ an den ererbten 
stilisirten Zierformen festhält, schaaren sich um ihren Thron alle die
	        
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