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Der ewige Friede war also durch internationale Ausstellungen nicht
erzielt worden. Aber genügte denn nicht die Verbreitung von Kenntnissen,
von höherer Cultur? In der That würde Jemand, der leugnen wollte, dass
die gesammte Industrie, und nicht sie allein, dem bahnbrechenden Unter-
nehmen von 185i und dessen nächsten Nachfolgern einen gewaltigen Um-
und Aufschwung zuzuschreiben hat, sich arger Undankbarkeit schuldig
machen. Ein weiter Kreis von Ideen, die heutzutage Gemeingut sind, war
den Europäern fremd geworden, zahlreiche Künste und Fertigkeiten waren
in Vergessenheit gerathen, und während auf die Schaffenden eine Fülle
neuer Anregungen eindrang, öffneten sich die Augen aller für die Bedeu-
tung technischer Fortschritte, die Vortheile neuer Erfindungen, den Werth
einer edlen, sinnvollen Ausschmückung des Heims. Und alle zehren wir
noch an den Errungenschaften jener Frühlingszeit. Anderseits wäre es
unbillig zu fordern, dass das Zauberwort "Ausstellungu, so oft es ausge-
sprochen wird, solche Kräfte wecken, solchen Segen verbreiten solle. Ein
Gedanke büßt ja dadurch, dass er zur Münze im täglichen Verkehre wird,
nichts an seiner Größe ein, nur kann er nicht beanspruchen, immer wieder
als neu begrüßt zuwerden. Die Wirkungen der Reformbewegung, das
Wiederanknüpfen an frühere Zeiten, das I-Iervorsuchen verschollener Arten
der Technik, das Nutzbarmachen bisher unbeachteter Kräfte, das alles
erfüllte anfangs mit staunender Bewunderung; doch nun erwartete die
Welt von jeder Wiederholung der großen Ausstellungen neue über-
raschendere Enthüllungen, die nicht gebracht werden konnten, am wenigsten
bei solcher athemloser Hast. Wenn man jetzt über den unersättlichen
Neuheitshunger klagt, wenn thatsächlich so vielfach das Gute durch Nichts-
alsneues verdrängt wird, so haben unzweifelhaft die übermäßig häufigen
Ausstellungen einen sehr wesentlichen Antheil an dieser Erscheinung.
Nothwendigerweise mussten auch die materiellen Erfolge für die Aus-
steller immer geringer werden, nicht nur im Verhältniss zu den immer
höher anwachsenden Kosten. Besonders schwer wird das vom Kunst-
gewerbe empfunden. Es soll immer Neues, Absolutneues vorliegen; gerade
das Beste prägt sich dem Gedächtnisse der ständigen Ausstellungsbesucher
ein, und wird bei seinem zweiten Erscheinen als altbekannt geringschätzig
aufgenommen. Das Kunstgewerbe soll die Ausstellungen aufputzen, die
Massen anziehen, von seinen Leistungen versteht ja etwas oder meint doch
zu verstehen Jeder, der nur Augenweide sucht. Ließe sich statistisch
genau nachweisen, welche Summen zu dem Ende fast Jahr für Jahr von
den Producenten aufgewandt werden, und wie geringe von den Con-
sumenten, man würde staunen. Wie oft habe ich gefüllte Magazine
gesehen und dabei gehört: vNichts als Ausstellungsstücke, jetzt habe ich
keinen Raum mehr - und auch keine Mittel, um sie auf diese Weise
festzulegenla Wir erfahren, wie viele Personen eine Ausstellung besucht
haben, und welchen Ueberschuss, wenn das Glück günstig war, das Unter-
nehmen abgeworfen hat, aber die Bilanz des Ausstellers bleibt im Dunkel.
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