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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 2)

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wissen obersten Bildungsgesetzen gelangen, so auch diese. Die drei obersten Bildungs- 
gesetze in der Kunst sind der Rhythmus, die Symmetrie und die Proportion. Sie sind 
deshalb IObCTSXEI Gesetze, weil in ihnen von den speciellen Bildungsfactoren des Stoffes 
und des Zweckes abstrahirt werden kann, weshalb sie ohne Einschränkung für summt- 
liche Kunstarten gelten. 
Nachdem der Vortragende diese drei Gesetze erläutert hatte, wies er zunächst 
auf den theilweise apriorischen Ursprung derselben hin, auf welchen hauptsächlich die 
Analogie zwischen den Werken der Natur und der Kunst zurückzuführen ist. Die letz- 
teren sind sonach keineswegs bloße Abbilder natürlicher Vorbilder, sondern auf Grund- 
lage ljener Gesetze original geschalfene Werke, welche mit den Bildungen der Natur 
wohl gleiche Voraussetzungen haben, aber nicht gleiche Zwecke verfolgen. 
Hierauf kennzeichnete der Vortragende die Anwendung der drei Gesetze in der 
Kunst, wobei er als wesentlich hervorhob, dass wir wohl ein sicheres Kriterium für 
die rhythmische und symmetrische Gestaltung einer Form, nicht aber für ihre Proportion 
haben. Diese letztere sei vielmehr nach wie vor lediglich ala das Ergebniss eines kunst- 
lerisch entwickelten und gelaüterten Ernpirismus zu betrachten, und alle Versuche, ein 
apriorisches Gesetz der schonen Proportion aufzufinden, sind bisher vergebliche gewesen. 
Es sei deshalb wahrscheinlich - so schloss der Vortragende seine Auseinander- 
setzungen - dass die Proportion infolge ihrer im Vergleich zum Rhythmus und zur 
Symmetrie höheren Natur die Grenzen unseres intellectuellen Vermögens uberrage, dass 
sie aber einer höheren Intelligenz als die unserige vielleicht ebenso apriorisch begreiflich 
sein konnte, als uns der Rhythmus und die Symmetrie es sind. Wenn dem so wäre, dann 
hätten wir auch ein Recht anzunehmen, dass im Verlauf des biologischen Processes ein 
ferner Zeitpunkt liegen dürfte, bei welchem angelangt der -Menschheitu die Geheimnisse 
der schonen Proportion ihrem innersten Wesen nach olfenbar geworden sein würden. 
Litteratur - Bericht. 
Flachornamente. Eine Sammlung mustergiltiger Vorbilder nach Originalen 
des 15. und 16. Jahrhunderts. Herausgeg. von Hermann Herdtle. 
36 Taf. in Lichtdr. Ausgabe in 6 Lieferungen ä 5 M. 1. Lfg. 6 Taf. 
gr. Fol. Wien, Karl Graeser, 1891. 
Noch immer kann eine Publication, welche auf Grund mustergiltiger Erzeugnisse 
des Kunstßeißes früherer Jahrhunderte die Vorbildersammlungen für den kunstgewerb- 
lichen Zeichenunterricht zu bereichern strebt, nicht zu den überflüssigen Unternehmungen 
gerechnet werden, denn wenn man mit allen jenen Ansprüchen an dieselbe herantritt, 
welche sich im Laufe der Entwickelung unseres kunstgewerblichen Schulwesens als 
unabweislich herausgestellt haben, besteht die Reihe der mustergiltigen Vorlagewerke nus 
einer nur allzuleicht übersehbaren Zahl von Banden und Heften. Eine Auswahl, die auf 
mustergiltige Schönheit des Objectes und klare Fasslichkeit der künstlerischen Conceptinn 
Rücksicht nimmt, ohne in den Fehler einer Wiedergabe allzu systematischer Sshemata, 
aus welchen alles Leben und alle künstlerische Kraft langst entwichen sind, zu verfallen, 
eine Reproduction, die nicht allein bezüglich ihrer Genauigkeit und Scharfe den strengsten 
Anforderungen genügt, sondern auch in ihrem Großenverhaltnisse das Original nicht 
minder als den Unternchtszweck genügend berücksichtigt, - das hat eine Anzahl gün- 
stiger Umstdnde zur Voraussetzung, die sich nicht immer an einer Stelle zusammenfinden. 
hier aber in sehr erwünschter Weise eintreffen. 
Die erste Lieferung dieser Vorbildersammlung enthalt sechs Blatt, welche gleichsam 
Proben für die Art der Auswahl der alten Originale abgeben. Es sind Fullungsornamente 
von Bronzeplatten im Dome zu Krakau, sowie lntarsien aus der Residenz in Landshut 
und solche aus dem Museum m Salzburg. Dem einleitenden Vorworte ist ferner zu ent- 
nehmen, dass die Mehrzahl der Blatter Originale aus den genannten Orten reproduciren 
werden. lhrer vierzehn werden den Holzintarsien verschiedener Thüren der seit 1543 
erbauten Residenz in Landshut entnommen sein, und der Rest soll sich auf die niellu- 
artig ausgeführten Bronzeverzierungen aus dem Krakauer Dome, auf Originale aus dem 
Salzburger Museum. auf Vertafelungen und Möbel im Schlosae Lichtenberg und auf 
lntarsiafelder der prächtigen und reich gegliederten Renaissance-Holzdecke vom Jahre 
1572 aus dem Landhause zn Wien vertheilen. 
Der billige Preis des Werkes dürfte dasselbe nicht allein in zahlrei:he Ateliers 
und ltunstgewerbliche Werkstätten einführen, sondern macht es auch mäßig dotirten 
Fach-, Fortbildungs- und Allgemeinen Zeichenschulen zugänglich. Fs. 
W
	        
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