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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 4)

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ich gegen einige Andeutungen des Herausgebers der jüngsten Berliner. 
Teppich-Publication voranbringen hatte. Damit soll selbstverständlich der 
hohe Werth der Publication keineswegs in Zweifel gesetzt sein. Enthält 
doch der so knapp gehaltene Text genug der Dinge, die nicht blos dem 
überhaupt für jede Aufklärung dankbar sein müssenden großen Publicum, 
sondern auch dem mit der Materie vertrauten Fachmann eine schätzens- 
werthe Bereicherung seiner Kenntnisse verschaffen. Ich verweise zum Be- 
lege hiefür blos auf das Teppichbild mit der Gruppe von Drachen und 
Foho aus dem Trecento und den die Gruppe wiederholenden Teppich 
auf Tafel 14, wodurch auch auf eine Anzahl früher bekannt gewordener 
Seidenstoffe mit ähnlicher Musterung ein Licht fällt, und auf die Teppiche 
der beiden letzten Tafeln, die für das bisher völlig mystische Capitel von 
der vormaligen Existenz einer spanischen Teppichknüpferei sehr beachtens- 
werthe Beiträge an die Hand geben. A. Riegl. 
Ueber Freiheit und Gesetzmässigkeit der kirch- 
lichen Kunstformen. 
Von Dr. H. Swoboda. 
(Schluss) 
Das erste dieser drei Gesetze findet also seine Anwendung dort, wo 
keine traditionelle oder kirchlich officielle Entscheidung entgegensteht. ln 
diesem Falle ist der Künstler frei, d. h. er ist blos den künstlerischen 
Forderungen, nicht aber einer liturgischen Entscheidung unterworfen und 
genießt die Freiheit, soweit dieselbe mit dem sittlichen Ernste und dem 
gläubigen Standpunkte vereinbar ist. Gegen diesen gewiss selbstverständ- 
lichen Satz haben der Kirche gutgesinnte Schriftsteller unserer Tage eine 
Frage aufgeworfen, deren Beantwortung -um so wichtiger ist, als sie die 
architechne, die wichtigste der Künste betriift: die schon oben berührte 
Frage nach der Kirchlichkeit dieses oder jenes Baustiles. Eine Frage, die 
gerade vom strengsten kirchlichen Standpunkte aus leicht und sicher und 
gewiss zur Zufriedenheit aller Künstler längst zu lösen gewesen wäre! 
Jeder der in christlicher Zeit üblichen Stile ist erlaubt, 
denn über keinen haben wir eine officielle kirchliche Entscheidung pro 
oder contra, noch kann bei irgend einem eine traditionelle ausschließ- 
liche Uebung nachgewiesen werden. Jeder Stil ist kirchlich, weil die 
Kirche jeden für ihre Zwecke benützt hat, von den goldenen Basiliken 
Roms mit ihren jonischen und korinthischen Bestandtheilen, von den Lotos- 
und Paltnencapitälen Nordafrikas angefangen. Waren die Märtyrerkünstler 
der ersten Jahrhunderte weniger vCl1TlSIllChu gesjnm, da Sie mit dirggj 
heidnischen Formen arbeiteten? Säule, Pfeiler, Capitäl, Rundbogen oder 
Strebesystem sind an sich weder christlich noch heidnisch; die bischöf- 
liche Weihe allein gibt dem Bauwerk eine Art Taufe und verleiht ihm
	        
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