Die Brixener Malerschulen des 15. und 16. Jahrhunderts und ihr Ver-
hältniss zu Michael Pacher, von Hans Semper. Mit 15 Abbildungen
(Zinkotypien). Innsbruck, Wagnefscbe Universitäts-Buchandlung, 1891.
8". 138 S. fi. 1'4o.
Es ist bereits zum zweiten Male, dass Hans Semper in der Lage ist, uns mit
Resultaten seiner eingehenden Forschungen bekannt zu machen, die sich das ebenso
lohnende als anerkennungswerthe Ziel gesetzt haben, in die Geschichte der alteren
südtirolischen Malerei Klarheit und Ordnung zu bringen. In seiner vor vier Jahren er-
schienenen ersten Schrift über die i-Wandgemalde und Maler des Brixener Kreuzgangesa
hatte er bereits die überwiegende Bedeutung einer Gruppe von Meistern festgestellt, die
augenscheinlich mit den geistlichen Stiftern von Brixen und Neustift zusammenhingen.
Als bahnweisende Individualität trat unter diesen Malern insbesondere der nMeister mit
dem Scorpion: hervor; von einem zweiten bedeutenden Künstler, der zur selben Zeit in
Südtirol gearbeitet hat, von Jacob Sunter, ließ sich nachweisen, dass derselbe mit jener
Brixen-Neustifter Schule nichts Wesentliches gemein hatte. In der nunmehr erschienenen
zweiten Schrift führt Semper die Geschichte der Brixen-Neustifter Malerschule weiter bis
in das 16. Jahrhundert herab durch, wobei natürlich auch dem Umstande Rechnung gee
tragen werden musste, dass alle die hiebei in Betracht kommenden Meister von Haus aus
nicht blos Maler, sondern auch Bildschnitzer gewesen sind. Als Hauptergebniss ist eine
strengere Scheidung dieser jüngeren BrixemNeustifter Schule gegenüber Michael Pacher's
großer Künstlerpersonlichkeit hervorzuheben. Die Folge von oder vielmehr der Anstoß zu
diesem Ergebnisse war eine Reihe von Bilder-Umtaufen. worunter die wichtigste die-
ienige des sogenannten Facher-Altars in München, der nunmehr vollständig der Brixen-
Neustifter 'Schule zurückgegeben erscheint. Der unleugbare Einfluss, den Pacher auch
auf diese letztere Schule gehabt hat, wird von Semper scharf umschrieben. An der Hand
einer besonnenen Stilkritik suchte er womöglich bis zur Feststellung einzelner individueller
Hancle vorzudringen, was durch den fast ganzlichen Mangel an überlieferten Künstler-
namen und verwerthbarem" archivalischen Material überhaupt sehr erschwert erscheint.
Immerhin gelang es, urn die inschriftlich beglaubigte Persönlichkeit des Andreas Haller
aus Brixen und des Monogrammisten M. R. eine Anzahl von Werken zu gruppiren. Eine
unmittelbare Ergänzung dieser neuerlichen Resultate, die Geschichte und Charakteristik
der an Michael Pacher in der That unmittelbar anknüpfenden Bozener Schule vom Ende
des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts wird für eine dritte, alsbald zu gewartigende
Veröffentlichung in Aussicht gestellt. Rgl.
i!
Geschichte der Wandteppichfabriken des Wittelsbachischen Fürstenhauses
in Bayern, mit einer Geschichte der Wandteppichverfertigung als
Einleitung von Dr. Manfred Mayer. Mit 21 Taf. in Lichtdr. München
und Leipzig, G. Hirth's Kunstverlag, 1892. 4". 139 S. M. 15.
Die Gobelinfabricatiun als höfische Luxuskunat hat in Deutschland blos eine epi-
aodiache Rolle gespielt. In Italien an den meisten Duodezhöfen geübt, in Frankreich vom
königlichen Hofe von Franz I. an betrieben, hat sie dagegen in Deutschland nur bei den
bayrischen Wittelsbachern nachhaltige Pflege gefunden. Die Kunst gilt uns daher - wie ich
zwar glaube, wenigstens bezüglich des Mittelalters, mit Unrecht - in deutschen Landen
nicht als nationale, und daraus wird man es zu erklären haben, dass dieselbe, soweit
Deutschlands Antheil in Betracht kommt, bis zum Erscheinen der vorliegenden Publication
keinen deutschen Geschichtsschreiber gefunden hat. Nun hat ein bayrischer Gelehrter
es unternommen, das Versiumniss gut zu machen und aus archivaliachen Quellen das über-
kornrnene Material zusammenzutragen, aus dem sich die Geschichte wenigstens der Wittels-
bachischen Hof-Teppichfabrilten aufbauen lasst.
Wie wir daraus erfahren, gehen die ersten diesbezüglichen Versuche in das
16. Jahrhundert zurück. Heinrich von Pfalz-Neuburg hat dieselben zuerst mit Erfolg
unternommen und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach mit einheimischen Arbeitskräften.
Niederländische Flüchtlinge gaben nach 1566 Veranlassung zur Begründung einer Mauu-
factur zu Frankenthal, über deren Erzeugnisse aber leider auch Mayzr nicht viel in Er-
fahrung bringen konnte. Von Albrecht V. um 1565 angestellte Versuche, durch Marx
Fuggefs Verrnittelung niederländische Gobelinwirker zu werben, führten zu keinem
dauernden Ergebnisse. Noch weitere Verauche nach dieser Richtung schlugen fehl, bis es
Maximilian I. gelang, die erste Münchener Hof-Teppichmanufactur zu gründen, die von
1504- 1615 in Betrieb stand und deren künstlerische Seele Pieter de Witte gewesen ist.
Der dreißigjährige Krieg unterbrach das Begonnene, die Nachwehen desselben liessen es
noch lange nicht zu einer Wiederaufnahme kommen, bis im Jahre 1718 unter Max Emanuel
die zweite Münchener Hof-Teppichmanufactur zu Stande kam, die parallel mit den Pariser
Jahrg. 1892.. 5