Erscheinen dieses Vorbilderheftes gerade um seines Textes willen mit einiger
Spannung entgegengesehen; denn wenn auch Einzelne, insbesondere einige
englische Reisende, dem Herausgeber vielleicht an Uebersicht des Materials
auf Grund von Autopsie überlegen sein mögen, so vereinigt dafür Julius
Lessing mit den Voraussetzungen eines praktischen Kenners zugleich die-
ienigen des wissenschaftlichen Beobachters, wodurch allein die Möglich-
keit eines tieferen Eindringens in diesen erfahrungsgemäß so spröden
Gegenstand gewährleistet erscheint. Das vorliegende Vorbilderheft Nr. 13
fordert daher von doppelter Seite her unser Interesse: einmal als Vor-
lagewerk im engeren Sinne und zweitens als eine Enunciation der Er-
gebnisse von Lessing's Forschungen auf diesem Gebiete.
Schon vom ersteren Gesichtspunkte aus verdient das Werk dankbare
Anerkennung; keine der wenigen bis zum J. 189i erschienenen- sei es ge-
legentlichen, sei es speciell diesem Gegenstande gewidmeten-Publicationen
älterer orientalischer Teppiche darf sich einer so weitgehenden Vereinigung
der beiden größten Tugenden berühmen, die von einem solchen Werke
gefordert werden müssen: der facsimilehaften Treue der Reprodution als
Substrat für die wissenschaftliche Forschung, und der gewissermaßen
plastischen Klarheit und Bestimmtheit der einzelnen Details als einer
unumgänglichen Voraussetzung für die Benutzung durch den Zeichner oder
ausführenden Handwerker. Da die natürliche Erscheinung immer ein
starkes malerisches Element an sich trägt, scheinen die beiden genannten
Anforderungen bis zu einem gewissen Grade einander auszuschließen;
um S0 größer ist das Verdienst desjenigen, der es verstanden hat, die-
selben soweit auszugleichen, dass der kunstgewerbliche Arbeiter wie der
wissenschaftliche Forscher einen gleich wesentlichen Nutzen aus der Publi-
cation zu ziehen vermögen.
Aber wie schon angedeutet hat sich Lessing bei der Hinausgabe
dieses Vorbilderheftes nicht darauf beschränkt, den Tafeln wie bisher blos
einen ganz knapp gehaltenen descriptiven Text von einigen wenigen Zeilen
beizugeben. Es wäre dies einmal schon sozusagen physisch schwer durch-
zuführen gewesen: wir besassen bis zum Jahre 1891 noch keine typischen
Beschreibungen von orientalischen Teppichen, ausgenommen von ienen
regelmäßig geometrisch gemusterten, die den Gegenstand von Lessing's
früherer Publication (altorientalische Teppichmuster 1877) gebildet haben.
Für die Details auf älteren persischen Teppichen eine Terminologie zu
schaffen, ist man jetzt erst am Werke, und jeder diesbezügliche Versuch
muss vorläufig als ein Vorschlag betrachtet werden, dem man sofort eine
mehr oder minder ausführliche Rechtfertigung beizugeben hat. Andererseits
mochte aber Lessing noch einen besonderen Grund gehabt haben, seine
so gewichtige Meinung über diesen Gegenstand im gegenwärtigen Momente
kund werden zu lassen; sind doch die mannigfachen damit zusammen--
hängenden Fragen gerade in letzter Zeit wieder stark in Discussion gerückt
worden, woraus für einen anerkannten Fachmann auf diesem Gebiete von
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