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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VII (1892 / 4)

senen Laubgängen der deutschen Eichenwälder den Ausgangspunkt für 
die Gothik erblicken wollte. Die v-Blüthenkolbenn der persischen Teppiche 
findet Lessing außerhalb der persischen nur noch in der chinesischen 
Kunst, wo einige Typen derselben in der That vorkommen; von den un- 
anzweifelbaren Zwischengliedern in der frühmittelalterlichen Kunst Syriens 
und Persiens, wodurch diese Motive mit der späten Antike verknüpft 
erscheinen, nimmt er keine Notiz. Ebensowenig denkt er hinsichtlich der 
nelken- und tulpenförmigen Blumen, die ihm für die neuere Zeit cha- 
rakteristisch sind, an ihre mittelalterlichen Vorbilder, z. B. an die Nelken 
auf den sicilianischen Fayencen, wodurch wir abermals auf eine histo- 
risch weiter zurückreichende Vorstufe verwiesen werden. Dass eine 
Blumenranken-Ornamentik mit stilisirten Blumentypen schon in der 
hellenistisch-römischen Kunst (aber nicht in der altorientalischen vor der 
Beeinflussung durch das Hellenenthum) vorhanden war und dass zahl- 
reiche (greifbare Zwischenglieder auf jene historische Vorstufe zurück- 
weisen, glaubt Lessing einfach unberücksichtigt lassen zu dürfen, weil 
er es offenbar für grundsätzlich ausgeschlossen hält, dass zwischen isla- 
mitischem Orient und classischer Antike, neuerer Zeit und Alterthum ein 
unmittelbarer organischer Zusammenhang obwalten könnte. Unter diesem 
Hinblick erscheint auch das Verhalten Lessing's zum chinesischen Ein- 
fluss in der persischen Teppichornamentik charakteristisch. Diesen Einfluss 
halte auch ich für sehr weitgehend, und will ohne Weiteres zugestehen, 
dass mich Lessing dahin überzeugt hat, das Aufkommen dieses Einflusses 
etwas früher anzusetzen, als ich bisher zuzugeben geneigt war. Aber 
auch nur daran zu denken, dass so bestimmte und grundwichtige Motive 
wie die aBlüthenkolben-r von den Persern aus der chinesischen Kunst über- 
nommen sein könnten, scheint mir blos dann möglich, wenn man außer 
Acht lässt, dass Persien seit achämenidischer Zeit bis auf den heutigen 
Tag sowohl in politischer als in künstlerischer Beziehung allezeit über- 
wiegend nach dem Mittelmeere gravitirt hat. Wenn wir also in der 
mittelalterlichen Kunst einzelner Mittelmeerländer die nächsten Verwandten 
der neueren wpersischenu Blüthenkolben antreien, warum sollen wir dann 
an eine Entlehnung aus China denken, und nicht weit eher das Umge- 
kehrte annehmen? Mehren sich doch übrigens alltäglich die Anzeichen, 
die uns das chinesische Kunstgebiet keineswegs mehr als ein so autoch- 
thones, iungfräuliches erscheinen lassen, wofür es bisher fast allgemein 
angesehen worden ist. 
Man wird also bei der Beurtheilung der Frage nach der Entstehung 
der orientalischen Teppichornamentik fürderhin sowohl die Ableitung aus 
den technischen Bedingungen als auch die Suche auf arabischem und 
chinesischem Gebiet mehr in den Hintergrund treten lassen müssen, da 
alle diese Wege, wenn allein beschritten, nicht zum Ziele führen können. 
Man wird den Ausgangspunkt vielmehr dort aufzusuchen haben, wo er 
nach aller historischen Logik zu finden ist. Dies sind die Bedenken, die
	        
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