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Diese Abtheilung konnte also nicht für die Bäuerinnen bestimmt
sein. ln der That waren diese hier dielehrmeisterinnen. Wenn sich
Jemand da Belehrung und Anregung holen sollte, so wären es die
Damen aus bürgerlichen und vornehmen Kreisen, nicht blos in der
Stadt, sondern auch diejenigen vom Lande. Es ist übrigens augenblick-
lich in den tonangebenden Kreisen der rumänischen Bevölkerung in der
Bukowina eine Bewegung im Zuge, welche dahin geht, sich" von dem
eingedrungenen westeuropäischen System der Arbeitstheilung wieder ab-
zuwenden und die Herstellung des zum Eigengebrauche nöthigen textilen
Hausrathes nach Möglichkeit wiederum im eigenen Hause und mit eigenen
Kräften durchzuführen. Jedermann, der die Vorzüge der vormals auch
bei uns im Westen verbreitet gewesenen HausHeiBarbeit gegenüber der
fabriksmäßig erzeugten Marktwaare, namentlich in künstlerischer Beziehung,
kennt und würdigt, wird die genannte Bewegung, deren wärmster Förderer
der vorhin erwähnte Herr Dr. Johann v. Zotta in Nowoselitza ist, mit
reger Sympathie begleiten. Das Ziel desselben mag dem Kunstfreunde, der
noch nicht geneigt ist, vor Amerikanismus und Utilitarismus bedingungslos
die Waffen zu strecken, geradezu als ein ideales erscheinen; freilich
liegt gerade in dem idealen Charakter der wunde Punkt, der es allen
ähnlichen Bestrebungen so schwer macht, sich der übermächtig vor-
drängenden Zeitströmung gegenüber zu behaupten. Immerhin hat das
rumänische Costüm schon den einen Vortheil aufzuweisen, dass es sowohl
durch seinen Schnitt und seine Draperie als durch den Charakter seiner
Verzierungen in gleicher Weise geeignet erscheint, die Bäuerin wie die
vornehme Dame zu kleiden. Ja es ist sogar schon hoffähig geworden,
wie das von der Königin von Rumänien für ihre Hofdamen eingeführte
Kleid beweist, wovon ein prächtiges Exemplar auf derCostüm-Ausstellung
des k. k. Oesterr. Museums im verflossenen Jahre zu sehen war.
War also bei der Abtheilung der Stickereien und der Costüme über-
haupt der Hauptzweck der Aussteller darauf gerichtet, der weiblichen
Welt aus den besseren Ständen - insbesondere den Frauen der Guts;
besitzer, der Lehrer, Aerzte, Gerichtsbeamten, die durch ihren ländlichen
Aufenthalt in die Lage kommen, innerhalb ihrer Wirthschaft sich auch
textile Rohstoffe zu beschaffen -- allen diesen die Vorzüge der bäuerlichen
Arbeit und damit ein Beispiel zur Nacheiferung vor Augen zu führen,
so lag das Verhältniss bei den Teppichen anders. Die Teppiche waren
aber im Programme der Ausstellung vorangestellt, mit ihnen war ein
lehrhafter Zweck besonders verknüpft. Da erscheint es denn nothwendig,
den Begriff des bukowinischen Teppichs etwas näher zu umschreiben.
In technischer Beziehung ist der gemeingebräuchliche Teppich des
rumänischen Hauses in der Bukowina gewirkt, oder wie die anderen
gangbaren Bezeichnungen heißen, in Gobelintechnik oder Ripsbindung
hergestellt. Es ist dies dieselbe Technik, in welcher die über ganz
Westasien und Südosteuropa verbreitete Teppichgattung der Kilims oder