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Arbeit. Es wird damit zugleich, wie er selbst in der Einleitung sagt, der Unsicherheit
in der Zuschreibung von Goldschmiedearbeiten an Mitglieder der Familie Germain ein
Ziel gesetzt. Bisher kannte man gewöhnlich nicht einmal die Zahl der Goldschmiede
dieses Namens und es wurde nicht selten aus vier Meistern eine r gemacht.
Wir lernen nun vor Allem den Meister Pierre Germain kennen, der 1645 ge-
boren wurde. Derselbe brachte seine Lehrjahre bei seinem Vater dem Goldschmied
Frangois Germain zu, hatte gute Verbindungen und machte rasch seinen Weg. Noch als
junger Mann erhielt er den Auftrag, die goldenen Buchdeckel auszuführen, welche die
Aufzeichnungen der Eroberungen Ludwig XIV. einschlossen, 1677 verfertigte er einen
prunkvollen Rahmen für ein Portrat des Königs und zwei Jahre darauf erhielt er Woh-
nung und Werkstätte im Louvre. Später folgen große decorative Arbeiten, meist nach
Entwürfen Le Brun's, für Versailles, ferner kostbares Tafelgeschirr für den Dauphin und
vieles Andere. Die meisten dieser nach den Beschreibungen und Entwürfen, die auf 1111i
gekommen, außerordentlich prächtigen Arbeiten wurden zugleich mit vielen anderen 1691
auf Befehl des Königs eingeschmolzen. So ist von Pierre Germain bis auf eine Medaille
Ludwig XIV., die er gravirt hat, nichts erhalten. Seine Marke war P. G. und ein Dreieck
zwischen beiden Buchstaben. Er starb 1684. Sein Sohn Thomas war damals 11 Jahre
alt, und erwarb sich zunächst eine mehr allgemeine Ausbildung auf dem Gebiete der
Kunst, daher er auch 1688 nach Rom ging. Als aber 1691 seine Exiatenzmittel abnahmen,
entschloss er sich, zu einem italienischen Goldschmied in die Lehre zu gehen und kehrte
um 1706 als fertiger Goldschmied nach Paris zurück. Von da ab bis 17a; scheint Thomas
Germain blos Werke kirchlicher Kunst ausgeführt zu haben. Das Meisterrecht in seiner
Vaterstadt erwarb er erst 1720 und führte die Marke T. G. und ein VlieB. Es kamen
damals die silbernen Schreibtisch- und Toilette-Garnituren in Mode, und Germain war es,
der sich den besten Namen in diesem Fache erworben hatte und die glanzendsten Auftrage
erhielt; auch an viele auswärtige Hofe gelangten seine Arbeiten. Nichtsdestoweniger sind
heute nur drei authentische Stücke von ihm nachzuweisen. Unter den Meistern Namens
Germain war er ohne Zweifel der hervorragendste, und als er 1748 starb, waren es
hauptsächlich seine Verdienste, welche dem Sohne Francois-Thoroas Germain so
rasch zu Ruhm und Ansehen verhalfen. Dieser, 1726 geboren, wurde schon 1748 Meister.
Sein Meisterzeichen blieb das des Vaters, um den Buchstaben F. vermehrt. Von ihm
befinden sich namentlich am russischen Hofe prächtige Arbeiten; sie gehören zum
Schönsten, was die französische Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts hervorgebracht
hat. Auch der portugiesische Hof besitzt prlchtige Gerathe und Gefäße für Tisch und
Tafel von diesem Meister; man schätzt die Zahl der Stücke gegen 3000. Nicht minder
großartig waren die Auftrage, welche er von Seite des franzosischen Adels erhielt. Nichts-
destoweniger trafen den Meister im Laufe der Jahre namhafte Verluste, sein Credit
schwand immer mehr und endlich führte ein betrügerisches Vorgehen gegen seine Glau-
biger den vollständigen Ruin des Geschäftes herbei. Von 1780 an bis zu seinem Tode,
1791, lebt F. T. Germain in völliger Zurückgezogenheit und wir besitzen keine Kenntniss
weder von seinen Arbeiten noch von seiner Lebensweise.
Der letzte Goldschmied dieses Namens ist Pierre Germain ll., genannt uLe
Romainr. Es ist derjenige, der beständig mit Thomas und Francois Thomas verwechselt
wird. Pierre Germain ll. gehört einer alten Goldschmiedefamilie an, die im Süden Frank-
reichs ansassig war, und wurde 1716 zu Marseille geboren. Er kam 1736 nach Paris,
wurde 1744 daselbst Meister und führte als Marke eine keimende Pßanze mit den Buch-
staben P. G. Er ist es, der 1748 das prächtige Musterbuch nElements dhsrfevrerie-
verößentlicht hat, und 1751 eine Ornamenten-Sammlung nachfolgen ließ. Ausgeführte
Goldschmiedearbeiten dieses Meisters sind bisher nicht bekannt und scheinen - zum
mindesten was bedeutendere Stücke betrillt - nie sehr zahlreich gewesen zu sein. Das
Todesjahr dieses letzten der Goldschmiede Namens Gerrnain im 18. Jahrhundert ist 1783.
Fs.
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