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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 2)

Schenkung bestätigte, soll leider durch Brand zu Grunde gegangen sein, 
und damit zugleich jede stichhältige Beglaubigung; gleichwohl ist die 
Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der Arrazetto, der augenscheinlich 
noch in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts angefertigt worden war, 
in der zweiten Hälfte desselben im Besitze einer estensischen Prinzessin 
gewesen sein könnte. Damit wäre aber noch immer nicht erwiesen, dass 
er in Ferrara auch seine Entstehung gefunden hat. Die oben citirte Fa- 
milientradition will zwar in der Stadtansicht rechts im Hintergrunde des 
Bildes das alte Schloss von Ferrara mit der Zugbrücke erkennen, zumal 
sich auf einem (sofort zu besprechenden) nächstverwandten Stich Marc- 
anton's (Fig. 2) eine ganz andere Stadtansicht darbietet. Die ldentiiicirung 
mit dem Schloss von Ferrara wird sich aber schwerlich beweisen lassen. 
Das Aussehen dieser Gruppe von Baulichkeiten zeigt überhaupt weit 
weniger italienischen, als vielmehr nordischen Charakter, weshalb sich 
die Muthmassung aufdrängt, es habe der Zeichner des Cartons, so wie 
es auch von Marcanton mehrfach nachgewiesen ist, für das Landschaft- 
liche einen deutschen oder niederländischen Stich zu Rathe gezogen. 
Diese Bedenken, die wir den Nachrichten der Familientradition ent- 
gegenbringen, scheint Gentili nicht zu theilen; er mag hiebei auch durch 
den Umstand beeinflußt worden sein, dass Giulio Romano, der Haupt- 
schüler RalTaePs, auf welch' letzteren sowohl der Entwurf zum Stich des 
Marcanton als zum Arrazzetto zurückgeführt wird, von Mantua her bald 
nach dem Regierungsantritte Ercole's ll. an den Hof von Ferrara berufen 
und daselbst mit dem Entwurfe von Cartons für Arrazzi beschäftigt worden 
sein soll. Ueber den Inhalt der letzteren ist bisher nichts Näheres be- 
kannt geworden; die Vermuthungenwon Müntz und Anderen bezogen 
sich ausschließlich auf mythologische und historische Stoife'). 
Dass vollends die Zuweisung (des Arrazzo in's Seicento von Seite 
Gentili's unrichtig, und wohl nur auf ein flüchtiges Versehen zurückzu- 
führen ist, erhellt schon daraus, dass aus dem XVll. Jahrhundert - wie 
Gentili doch wissen musste - überhaupt keine Nachrichten über ferra- 
rische Gobelinfabrication vorliegen. Mit diesem negativen Resultate 
werden wir uns rücksichtlich der Orts- und Zeitbestimmung im Wesent- 
lichen begnügen müssen. Auf Grund der äußeren Erscheinung lässt sich 
nur im Allgemeinen sagen, dass das kleine Bild noch in der ersten Hälfte 
des XVI. Jahrhunderts wahrscheinlich von einem Niederländer - sei es 
nun in Rorn oder in Flandern - gewirkt worden sein mochte. Der Be- 
steller wird aber weit eher in vaticanischen, als in estensischen Kreisen 
zu suchen sein. 
') Nähere Aufschlüsse über eine Reihe von Teppichcartons, die Giulio Romano 
wahrszheinlich für Franz l. von Frankreich gefertigt haben eoll, sind demnächst von 
Dr. Dollmnyr in Wien zu erwarten. Ueber einen Canon aus dieser Reihe, mit der Er- 
oberung Carlhngenfs, hat bereits R. Stinssny in der Kunsrchronik (N. F. l, 179) berichtet. 
3.
	        
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