kunst. Hier tritt wieder eine weitverzweigte Künstlerfamilie, die Galli-Bibiena, sehr ent-
scheidend auf, vorzugsweise im Decorationsfach, wogegen die eigentliche Architektur
der Friulese Burnacini lange Zeit mächtig beherrscht. Das rein römische Element rnit
einer gewissen ernsten Einfachheit reprasentirt Dom. Martinelli, aber auch die andere
Seite desselben, die Richtung Borrominfs, Endet Eingang, wie sich an dem ausgezeich-
neten Beispiel unserer Schwarzspanierkirche documentirt.
Neben all" diesen bunten Einflüssen war ferner noch aus den Zeiten vor der
eigentlichen Barocke manches Symptom von der lngerenz einer Richtung vorhanden,
welche an die theoretischen Reformideen der großen Meister der cinque ordine, Vigriola,
Serlio, Palladio, Scamozzi, San Micchele etc. anknüpfte, ,von denen Scamozzi für
Ocsterreich sogar von persönlichem Einßuss gewesen und sein durch Santino Solari
restringirtes Project des Salzburger Domes typisch geworden war. Spätere Bauten dieser
Art sind St. Peter in Krakau, die Querschiif- und Chorpartie von Mariazell, endlich
Fischer von Erlach's des Aelteren Studienkirche in Salzburg - Schöpfungen von diame-
traler Gegensatzlichkeit zu den malerischen, Stucco überladenen Producten der Comasken,
Bolognesen u. A. Die Theorie der edlen Einfachheit, der goldenen Rückkehr zu den
großen Alten ist, wie der Vortragende durch zahlreiche Citate und Beispiele erwies,
viel alter als gewohnlich geglaubt wird und geht schon im 18. Jahrhundert also in den Tagen
der sonst zuchtlosesten Decorations- und Eifectkunst, neben deren allerdings zahl-
reicheren Productcn einher. Der Hauptsitz dieser reinigenden Tendenz war Rom -
freilich neben der üppigen Pracht der Jesuitenarchitektur dieses Platzes - tind die
Schule Carlo Fonianas besonders zu vermerken. Für uns hat dieaeaAtelier die grüßte
Wichtigkeit durch die Berührung des in Rom studirenden Fischer des Aelteren mit dera
selben, welcher zuerst Bildhauer und Medailleur, sowie Zögling der höchst decorativ-
malerischen Tiroler Künstlerfamilic Schor, hier auf die römischen Rudera, auf die
Theoretiker der spatern Renaissance gewiesen wurde und sodann in diesem Geiste in {seinem
Vaterlande wirken sollte - allerdings nicht in vollkommen consequenter Tendenz, denn
seine Schöpfungen verrathen ein fortwahrendes Schwanken zwischen den malerischen,
eKectvollen Jugendeindrücken und der klaren Reformabsicht, welch' letzerer Richtung
übrigens immer seine Meisterleistungen angehören. Ein Rathsel ist beinahe der geniale
clal Pozzo, bei dessen Bildung durch die romischen Jesuiten und einem blos in wenigen
letzten Lebensjahren auf Oesterreich beschrankten Aufenthalt sich seine ausgesprochenen
deutschen Barock-Alluren nur sehr schwer erklären lassen, mit welchen er sic einiger-
maßen den beiden großen Meistern in Prag, den Dinzenhofer, nahert. Auch Prandauer
ist eine merkwürdige, noch wenig aufgehellte, aber sehr bedeutende Erscheinung; von
den Elementen der Carlone ausgehend erringt er eine höchst selbständige, nationale
Charakteristik und leistet im lnterieur der Molker Kirche Unnbertroßenes. Der Erbauer
des Belvederes, Lucas von Hildebrand, gibt uns mit dem Geprage seines Stilwesens noch
liartere Nüsse zu knacken, denn auch er streift zum Theile an die Weise der Carlcine,
ergibt sich aber hauptsächlich dem Einfluss: gleichzeitiger Franzosen, insofern er einer
der ersten Herold: des Rococo's mitten in unserer Epoche ist. Seine Verwandtschaft
mit dem jüngeren Neumann in Würzburg springt in die Augen, doch so, dass dieser von
Hildebrand gehasste Meister vielleicht im geistigen Abhangigkeitsverhaltnisse zu ihm
erscheinen durfte. Der Franzose Claude le Fort, welchem Prinz Eugen die lnnenein-
richtung seiner Paläste übertrug, zeigt sich hier wieder als ein Künstler im echten
italienischen Barockgeschmack! Und jener angebliche französische Einfluss auf die
österreichische Barocke? Der Vortragende wies zunachst darauf hin, dass die Verhältnisse
in Frankreich ganz anders liegen als in ltalien und Oesterreich. Einerseits entwickelte
sich dort die Renaissance viel stetiger fort, andererseits haben daselbst die im Geiste der
Antike und der großen Theoretiker sich bewegenden Reinigungs- und Reformirungsideen
der Baukunst schon lange Wurzel gefasst. Wenn Aehnliches nun auch in Oestereich durch
Fischer den Aelteren an den Tag tritt, so ist es eine unglaubliche Albernheit, welche an die
schlimrnstenZeiten der Franzosenanbeterei erinnert,die gleichen naturgemaßen Bestrebungen
unserer Künstler einfach als Nachaßerei zu bezeichnen. Ganz einfach hatten hier wie
dort nur die gleichen Ursachen die gleichen Wirkungen, abgesehen davon, dass die
damaligen tiefleindseligen Verhältnisse zwischen Paris und Wien solche absichtliche
Beziehungen mehr als unwahrscheinlich machen. Uebrigens sind die wenigen Werke
Fischer's, welche mit französischen verglichen werden können -- zweiter Entwurf für
Schönbrunn, Hofstallungeii - seine schlechtesten. Ganz anders wurde es freilich nach
dem ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts; schon der Sohn Fischer gewahrt dem
französischen Element breitesten Zustrom und in dem Rococo stehen wir durchaus,
gleich allen anderen Gebieten, unter dem Scepter der Seinestadt. Der Vortragende konnte
leider den überreichen Stoff niclit durch den Bereich des Roc0co's sowie in den Zweigen
der Schwesterknnste ebenso detaillirt durchnehmen, begnügte sich aber in der Haupt-
sache gezeigt zu haben, welches reiche Mosaik dasjenige sei, was wir österreichische
Baracke nennen - österreichisch mit Recht, denn alle jene fremden Einflüsse hat unser