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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe V (1890 / 4)

gegebenen Scenen mit mehr oder weniger Staßagepersonen oder sonstigen 
Nebensachen, nur um größere und geringere Kunstfertigkeit, um feine, 
gediegene Ausführung, um völliges Beherrschen der verschiedenen 
Techniken. Freilich gab es innerhalb der hieratisch fixirten Grenzen 
immer noch eine gewisse Freiheit der Combination, ja selbst der Erfin- 
dung. Denn an eine Erstarrung der byzantinischen Kunst in jenen Zeiten 
wird doch nur derjenige denken, der für die Variationen byzantinischer 
Formen sein Auge und Verständniss nicht gebildet hat. Nur eine gewisse 
hieratische Einförmigkeit ist nicht zu leugnen. Aber, und das ist dankbar 
anzuerkennen, die Byzantiner waren nicht allein die Bewahrer des antiken 
Formgefühls, die treuen Aushildner altchristlicher Kunsttypen und Tra- 
ditionen, die Ueberlieferer uralter Techniken, die sie durch ihre Berührung 
mit dem kunstfertigen Oriente bereicherten und ausbildeten; sie sind auch 
für den gesammten Occident die Brücke geworden, auf der der Barbare 
hinüberzog in das Reich der schönen Künste. 
Abgesehen von manch einem der Merowingischen Fürsten, welche 
mit Constantinopel in Verbindung standen und während deren Regierung 
wenigstens die Goldschmiedekunst blühte, war der erste große Mäcen der 
Künste, dem wirklich die Augen geöffnet waren, der große Kaiser Karl. 
Er hatte in Italien, ja auch selbst in seinen Landen manch schönes 
antike Denkmal gesehen, an seinem Hofe kamen zu viele und werthvolle 
Kunstwerke - auch aus Byzanz und den arabischen Ländern - zu- 
sammen, als dass nicht in ihm der Gedanke rege geworden wäre, er 
müsse es auch in Pflege der Kunst den oströmischen Kaisern und den 
Beherrschern der Ungläubigen gleichthun; als dass er nicht das Gefühl 
gehabt hätte, die nach Formenschönheit und Gedankentiefe strebende 
Kunst als Bilduugsmittel seiner Völker zu verwerthen. Die Kunst um 
ihrer selbst Willen achten und lieben, das wird man von Karl d. Gr. 
nicht erwarten. Ihm ist die Kunst ein Mittel zu bestimmten Zwecken, er 
kann nur die religiöse, lehrhafte Kunst protegiren. Und die Zeitumstände 
dazu waren günstig, wie selten. 
Der Bildersturm, der die östliche Kirche durchbrauste, ja selbst den 
fränkischen Hof ein wenig stutzig machte, hat in Byzanz erst lange nach 
Karl d.Gr. wirklich ein Ende gefunden. AufLandschaftemThiera undFrucht- 
bilder mochte während des Kampfes die Kirchendecoration sich beschränken, 
servile Ceremonienbilder waren auch nicht durch das Verdict getroffen. 
Ein Exodus der kirchlichen Künstler nach Italien, nach dem Westen, 
begann, der nur befruchtend auf etwa noch vorhandene Reste antiker 
Kunstfertigkeit wirken konnte. Wer Verständniss und die Mittel für Kunste 
werke hatte, mochte seit Leo dem lsaurier (716-741) leicht die dienst- 
eifrigen Hände finden. Karl d. Gr. holt sich für seine Prachtbauten nicht 
blos das antike Säuleumaterial, er holt sich auch die Künstler und Hand- 
werker aus Italien. Im Dom-Oktogon von Aachen lösen diese mit einer 
gewissen Bravour schwierige Aufgaben des Gewölbebaues. Nur lange
	        
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