118
die Ausschmückung des hölzernen Deckels der zu kirchlichen Zwecken
bestimmten altchristlichen Handschriftenbücher. Dieser Umstand aber ist
von großer Bedeutung für den ältesten Stil des Bucheinbandes, von
Bedeutung auch für dessen Entwickelungsgeschichte. Denn, da jenes
römische Vorbild plastisch war, geht in der Buchdecoration die pla-
stische Ausschmückung der Hachornamentalen voraus. Elfenbeinschnitzerei,
Gold- und Silberbeschlag, Edelsteinurnrahmungen - das sind die Merk-
male der ältesten Buchdecken.
Im n. und 12. Jahrhundert erreicht dieser wuchtig-luxuriöse Stil,
welcher übrigens in vollem Einklange mit der außerordentlichen Werth-
schätzung des Buches an sich steht, seinen Höhepunkt, von da an all-
mälig einer einfacheren Decorationsweise das Feld räumend. Das Stil-
princip, welches diese erste Entwickelungsform der Buchdecke aufweist,
ist damit aber keineswegs abgethan; vielmehr ist die Metallarbeit noch
bis in's 16. und 17. Jahrhundert hinein die treue Begleiterin der Buch-
binderei; ja bis auf den heutigen Tag schreitet neben der flachen Buch-
decke im Stile der eigentlichen Ledertechnik noch jener frühe plastische
Stil mit Erfolg einher.
Die erste Einschränkung des metallenen Beschlags vollzog sich
nach einem ganz natürlichen und gesunden Stilgefühle; der Beschlag be-
schränkte sich nämlich auf die Ecken, und die Mitte der Buchdecke und
die Clausuren (Schließen) des Buches. Aber gerade dies sind jene Theile,
welche entweder, wie Ecke und Mitte, durch ihre stilistische Bedeutung,
eine gewisse Auszeichnung erheischen, oder, wie die Schließen, durch
ihren Zweck eine solide, dauerhafte Durchbildung erfordern.
Neben dieser Ausschmückung des Bucheinbandes, welche vorzüglich
kirchlichen Zwecken diente, kennt das 14. und lilahrhundert drei Arten
der Decoration des profanen Einhandes: Die Lederritzarbeit, die
Punzirung und den Blinddruck.
Es sind dies Techniken, welche unmittelbar aus der Materialspecifität
des Leders hervorgehen und durch ihre halb dem plastischen, halb dem
flachen Ornament angepasste Natur den Uebergang zwischen dem frühen
plastischen Stil zum üachornamentalen Stil der Blüthezeit der Buchbinderei
vermitteln.
Die Ritzarbeit wird mittelst eines einfachen Messers, welches die
Contouren und SchraHen der Zeichnung in die Oberfläche des Leders
schneidet, hergestellt; sie ist wohl die technisch einfachste Decorations-
weise des Leders überhaupt. - Den Etfect der Contourritzung zu erhöhen,
eignet sich ganz vorzüglich das Niederschlagen des Ornamentgrundes
mit der Punze, einem metallenen Werkzeuge mit abgesturnpfter, ein
wenig ausgehöhlter Spitze, welche beim Einschlagen auf der Lederober-
Häche halbkugelförmige Erhöhungen hervorbringt und so das Leder
genarbl erscheinen lässt.