ZDI.
und bei Otte, vKunstarchäologieu, l., 262. Den Text von F. A. von
Lehner, nVerzeichniss der Metallarbeiten des fürstlich Hohenzollern'schen
Museums in Sigmaringenu, 1872, reproducirt Kraus pag. 352 der "Kunst-
denkmäler des Großherzogthumes Badenu.
Die drei hier genannten Denkmäler gehören noch dem altchristlichen
Kunstkreise an. Die Sculptur blüht im 4.. und 5. Jahrhunderte an den
Sarkophagen als letztes Aufflackern der großartigen, antiken Tradition.
Von da ab aber beginnt die römisch -christliche Kunst allmälig abzu-
nehmen, und neuen Einflüssen Platz zu machen. Merkwürdigerweise aber
dehnt gerade die Elfenbeinsculptur die römisch-christliche Richtung weiter
aus, ja sie tritt in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends in das
Stadium einer gewissen Blüthe. In der Folgezeit aber zeigt sich doch,
besonders in den Psalterillustrationen, dass die byzantinische und die
nordisch-occidentalische Kunst sich mehr und mehr trennen, bis schließlich
die mittelalterliche Kunst, besonders im Norden, sich selbständig aus der
Wurzel der römisch-christlichen Kunst entwickelt. Hiefür bringen unsere
drei plastischen Denkmale einen Beleg; er wird aber auch durch die
Wandmalerei von Oberzell gebracht, mit welchen die Elfenbeinsculpturen
eine nicht zu übersehende Verwandtschaft zeigen. Die Schilderung, welche
Kraus im Folgenden davon gibt, kann in ihren wesentlichen Punkten
auch auf die Sculpturen bezogen werden. Er schreibt ("Deutsche Rund-
schau-x, 1883, XXXV, pag. So): nUeberall reproduciren diese Bilder die
Typen der römisch-christlichen Kunst, namentlich in der stets wieder-
kehrenden jugendlichen Auffassung des bartlosen Christus; in zahlreichen
Fällen lehnen sie sich gerade wie die Elfenbeine (l) des 6., 7. u. 8. Jahr-
hunderts direct an die Behandlung und Auffassung jener an, und wenn
wir das classische Malerbuch der Griechen stellenweise in Uebereinstim-
mung mit unseren Bildern gefunden haben, so kann dies an sich keinen
Beweis für byzantinische Beeinflussung bedingen; denn auch die byzan-
tinische Kunst geht in ihren Wurzeln auf die ältere Kunst der römischen
Christen zurück. Dagegen weisen unsere Reichenauer Wandbilder eine
Freiheit und Großartigkeit der Behandlung auf, eine dramatische Bewe-
gung der Gestalten, gepaart mit monumentaler Würde, wie sie selten
oder kaum in den Werken der Byzantiner getrotfen werden. Von den
hageren, regungslosen Gestalten, von den mürrischen, griesgrämigen
oder grimmigen Gesichtern der griechischen Bilder ist hier nichts zu
finden. Der Stil hat trotz aller Schwächen in der Behandlung des Nackten,
trotz gewisser Härten in dem Faltenwurfe der Gewänder eine edle Selb-
ständigkeit bei aller Anlehnung an die Vorbilder. - Auch die architekto-
nischen Hintergründe weisen auf ltalien und Rom zurück. Dass von Per-
spective und Verkürzungen hier nicht die Rede ist, wird Niemand, der
mit dem Gange der kunstgeschichtlichen Entwickelung bekannt ist, er-
staunen. l (Schluss folgt.)