Internationale
$flmmler2eifunß
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
9. Jahrgang. Wien, 15. März 1917. Nr. 6.
Alte Schützenscheiben.
Von Chr. Mangold (Frankfurt a. M.)
Eben so alt wie das Schießspiel wesen selbst ist
auch das Schützenkönig tu in. Wer zum König ernannt
wurde, dem wurden neben der ehrenden Würdigung
noch mitunter bedeutende Einkünfte oder sonderbare
Vorrechte zugebilligt. Nebenbei bestand die Sitte,
daß er Anrecht hatte auf die das ganze Jahr hindurch
entzweigeschossenen Scheiben. Daß nun gerade auf die
gemalten Schießscheiben ein großer Wert gelegt worden
ist, beweisen uns die alten Stücke, die allenthalben
in den Museen noch zur Schau aufbewahrt werden.
Feldhaus („Die Technik der Vorzeit“, Seite 917)
berichtet darüber, daß die runde Scheibe mit einem
Bildchen vom Schießen mit der Armbrust im mittel
alterlichen Hausbuch von etwa 1480 stammend bema t
ist*) Ein kleiner Kupferstich im Kupferstichkabinett
zu München läßt erkennen, daß man im 16. Jahrhundert
nach bemalten beweglichen Holzscheiben schoß. Darauf
sieht man rechts zwischen zwei kleinen Häusern einen
Schienenweg, auf dem die als bewegliche Scheibe
dienende Ritterfigur wohl durch unterirdisch geführte
Seile hin und her gezogen wurde. Im Jahre 1733 Egte
de Raucour der Pariser Akademie ein Projekt für
eine gemalte Schießscheibe vor, die, sobald man das
Zentrum traf, ein Feuerschloß auslöste und so einen
Schuß abgab.
Aus den Chroniken größerer Städte ist zu ersehen,
daß die Büchsenschützen im 15. Jahrhundert eigene
Vogelschießen eingerichtet hatten, bei denen die Biich-
senschützengilden alsbald nur mehr auf Vogelscheiben,
das heißt auf Scheiben gemalte Vögel geschossen haben.
Außer dem Papagei wurde zu Anfang des 16. Jahrhun
derts der schwarze Reichsadler immer häufiger auf die
Stange gesetzt, um später beinahe ausschließlich auf
die Hauptscheibe zu wandern. Die Schützen aus den
unteren Bürgerschichten, die demokratischen Städte
pflanzten zuvörderst den gemalten königlichen Aar
auf, während die vornehmeren Bürger, Kaufleute und
Junker, die sogenannte Papageigilde der aristokrati
schen Städte, insbesondere der Hauptstädte, zum
Unterschied hartnäckig nur nach Papageien schossen.
Die Scheiben waren bemalt und so ausgeschnitten, daß
*) In Anton Tuchers Haushaltbuch zu Ende des 15. Jahr
hunderts, S. 99, steht u. a. notiert: „habich ein schiesstafel
von Hans Tücher lossungsschreibcr gekauft und in mein
■Gartten auf den obern janck geseezt: dafür ime par beczahlt
4 fl,
einzelne Teile davon abgeschossen werden konnten.
Nach diesen Splittern wurde dann der Schuß bewertet.
Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, hauptsächlich in
den niederländischen, dänischen, schlesischen und sächsi
schen Städten, war das allg meine Land- und Spalen-
vogelschießen sehr beliebt. Immer bestand der Haupt
gewinn in vollständiger Räumung der Spille oder in
der Erlangung des letzten Restes, des als Scheibe aufge-
stcllten Adlers. Die Nebengewinne auf Kopf, rechten
und linken Flügel, Klauen, Schwanz und Hals, Krone,
Szepter, Reichsapfel, Ring und Fähnlein entfielen.
Entscheidend war die Schwere der Stücke, welche von
den Schützenmeistern sowie Asses oren gewissenhaft
judiziert und gewogen wurden. Daß das Scheiben
schießen besonders aber bei dem Alpenvolke beliebt
war, das beweisen uns die auf unsere Zeit gekommenen
Scheiben mit den Meisterschüssen, die nicht selten
die Gicbelfronten alter Höfe zieren.
Was nun die Bemalung der Scheiben betrifft,
so lassen sich diese in zwei Gattungen trennen, und
zwar in solche mit feierlichen. Zeremonien und solche
mit lustigen Episoden. S lbst siegreiche Schlachten,
Friedensschlüsse, Familienereignisse in Herrscher
häusern u. a. m. wurden auf die Schießscheiben als
glänzende bunte Gemälde aufgemalt. Krauß hat solche
geschmückte Schießscheiben, die bis in das Jahr 1707
zurückreichen, nachgewiesen, die das Eisenerzer Mu
seum aufbewahrt. Bünker*) weist in seiner Arbeit
über Schießscheiben außer einigen Schießscheiben,
die in den neueren Jahren entstanden sind und in der
Schießstätte der Schützengesellschaft von Tamsweg,
dem Hauptorte des Lungau, aufbewahrt sind, nicht
weniger als fünfundsiebzig ältere und neuere Scheiben
nach. Von den ältesten führt er eine der größten
Scheiben an, die 137 Meter im Durchmesser mißt,
aber nicht datiert ist, doch soll die Malerei und ebenso
die Inschrift, die darauf angebracht ist, auf das Ende
des 18. Jahrhunderts hindeuten. Lassen wir hier Blin
kers Beschreibung der Malerei auf derselben folgen,
die darauf hindeutet, daß die Scheibe jedenfalls aus
Anlaß einer Verlobungs- oder Hochzeitsfeier gestiftet
worden ist. Im Vordergründe sitzen Orpheus und
Diana am Tisch und spielen Karten zusammen. Über
den beiden schwebt ein geflügeltes und brennendes
*) Zeitschrift für österreichische Volkskunde, Band 13.