das Übersinnliche, das Unmaterielle in seinem Werk
zu steigern.
Die neue Geistigkeit der volkstümlichen deutschen
Kunst, welche in den Dekorationsformen so deutlich
zum Ausdruck kam, entwickelte sich in ganz analoger
Weise auch in den figürlichen Darstellungen. Wie in
der Gotik ist auch in dieser Periode des Wieder-
auflebens eines von der Gegenreformation genährten
religiösen Mystizismus die Bewegungslinie der Figuren
die Interpretin des Übernatürlichen, des Übersinn-
lichen. Aber während in der Gotik das Geistige das
Primäre war, das zu seinem Ausdruck sich notgedrun-
gen menschlicher Formen bediente, war in der neuen
Kunst des XVII. Jahrhunderts, dank der dazwischen-
liegenden Renais-
sanceperiode, das
heißt der Periode des
künstlerischen Stu-
diums der mensch-
liehen Figur, nun-
mehr das Mensch-
liche, das Sinnliche
Abb. 3. Grünau im Almtal, _ __
Oberösterreich, Hochaltar der das Pnmare. UITI das
Pfankirche, Melchisedech Wunderbare auszu_
drücken, wird das
Menschliche zum übersinnlichen Affekt ge-
steigert. Die dem natürlichen Menschen
nachgebildete Figur wird zum Träger
menschlicher Empfindungen und Leiden-
schaften, menschlicher Affekte und Eigen-
heiten. Die Menschlichkeit dieser Figuren
wird aber, ebenso wie ihre tektonische Um-
rahmung, durch eine gesteigerte Bewegung
der pompös rauschenden Gewänder, durch
Standmotive, die im Gegensatz zu den Ge-
setzen natürlicher Bewegung stehen, mit
einem Schein der Übernatürlichkeit um-
geben. Schon in den Figuren des zweiten
Jahrzehnts des XVII. jahrhunderts, wie
etwa in den Figuren des im Jahre 1618 ent-
standenen I-Iochaltars in der Pfarrkirche
zu Grünau in Oberösterreich (Abb. 3),":
sehen wir den Künstler bestrebt, durch
i" Ehemals in der Stiftskirche zu Kremsmünster.
Abb. 4. Allhansberg, Pfarrkirche, St. Paulus
der Wetterpazron