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es gestattet, die Bahn größtentheils zu Tage zu führen und auf einer Weglänge von
17 Kilometer 600 Meter zu ersteigen.
Was ein pittoresker Scenenwechsel an Effecten hervorzubringen vermag, das Alles
vereinigt sich bei dieser kurzen Fahrt. Auf Steilrampen windet sich der Zug in Zickzack
linien an den Berglehnen hin, bohrt sich durch Felsrippen und setzt über schwindelnd tiefe
Abgründe. Die Gebirgswogen in der Ferne scheinen immer mehr zu verflachen, vertrau
licher grüßen ihre trotzigen Gipfel. Nun taucht die steile Preslica aus ihren Wäldern auf,
in denen Bären, Dachse, Füchse und Auerhähne ihre Schlupfwinkel haben; im Norden
das Wildschweinrevier der gänzlich wasserlosen Bitovnja-Planina, deren Wälder durch
furchtbare Brände vor einigen Jahrzehnten zerstört wurden. Und wie in einem Wandel-
Panorama zeigen sich wieder die tief verschneiten Häupter des Prenj, und die durch
sichtigen Fernen entschleiern nochmals die starre Schönheit der Hercegovina.
Dann erreicht man die Alm von Brdjani. Die schwindelnd tiefe Luka-Schlucht, auf
deren Sohle in ewiger Unruhe ein Schaumstreifen sich windet, wird kühn übersetzt. Das letzte
hercegovinische Dorf, Sunje, dereinst berühmt als Hajduckenhorst, dessen Bewohner noch
die kleidsame südliche Tracht haben, wird von dem Geleise durchschnitten, dann rasch das
Hochthal von Bradina, und nun steht man vor einem plumpen grünen Rücken, dem Ivan.
Die Straße, die sich bald dem Geleise nähert, bald sich wieder entfernt, nimmt noch einen
Anlauf und schwingt sich 100 Meter höher über ihn hinweg; die Bahn aber durchbohrt
seine Flanken und verläßt in einem 650 Meter langen Tunnel in einer Seehöhe von
876 Meter die sonnige Hercegovina.
Der Ivan ist die floristische, saunistische und politische Grenze zwischen den beiden
Provinzen. Aus dem Jvantunnel heraustretend, ist man gleichsam in einer anderen Welt.
Drüben lacht ein glänzend blauer Himmel, wenn Wolken oder Nebel das bosnische Wald
land in ihre grauen Mäntel hüllen; drüben grünt und blüht es, wenn hier noch Alles in
Winterruhe liegt. Wie die Natur, so sind auch Menschen und Sitten verschieden. Wie viel
auch die Politischen Grenzen hin und her geschwankt haben, Bosnien und die Hercegovina
waren immer verschiedene Länder. Allein was der Türkei in Jahrhunderte langen blutigen
Kümpfen nicht gelang: die frondirende Hercegovina sich völlig zu unterwerfen, das gelang
den modernen Culturmitteln spielend leicht. Es gibt keine Verkehrshindernisse mehr. Die
Bahn ist eine kräftig pnlsirende Ader, die das isolirte Land in den großen Lebenskreislauf
des Westens einbezieht. Aus den halsstarrigen Hajducken sind harmlose Eisenbahn-
Passagiere geworden, aus den scheu gemiedenen hercegovinischen Bergen ein modernes
Touristengebiet. Mit der Herstellung des persönlichen Cvntactes war mit einem Schlage
Alles anders geworden, und damit allein hat die Bahnlinie Sarajevo-Metkovic eine hohe
cnlturelle Mission erfüllt, abgesehen von ihrer commerziellen und strategischen Wichtigkeit.