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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / 1, 2 und 3)

gebung zu vergegenwärtigen, um die Grundlage für ein feineres psycho- 
logisches Erfassen der damaligen Situation zu gewinnen. Peter Flötner und 
den Kleinmeistern war es Gewissenssache, die fremde Kunstweise, die ihnen 
unbedingt höherstehend erschien, zu verbreiten. Sie griffen in das ganze 
Kunstgewerbe ein. 
Der praktischen Bedeutung der Ornamentstiche, die sich nicht allein auf 
die Kleinkunst, sondern auch auf die Architektur erstreckte, ist bisher bloß 
für die deutsche Frührenaissance nachgegangen worden. Albert Brinckrnann 
gibt in seinem Buche" zahlreiche Beispiele von Übertragungen italienischer, 
niederländischer und deutscher, vorwiegend Aldegreverscher Ornament- 
Stiche auf Kacheln, Schnallen, Pilasterfüllungen, Schnitzereien, Dolch- 
scheiden usw. Man verfährt bei Benutzung des Stiches ganz willkürlich, 
nimmt nicht Rücksicht auf seine Größe, verwendet ihn zu verschiedenstem 
Material. Doch findet nur in den seltensten Fällen ein wirkliches Kopieren 
statt, die Lust, Eigenes zu geben, bricht beim Kunsthandwerker immer wieder 
durch. 
Bei einem solchen Eingreifen der Künstler in das Kunsthandwerk wird 
es für dieses zum Schicksal, wie weit, künstlerisch genommen, der Eingriff 
geht. So ist es für die deutsche Goldschmiedekunst bestimmend gewesen, 
daß eine wirklich befreiende Tat weder damals noch auch später zu ver- 
zeichnen ist. Unter Dürers Pokalentwürfen gehört der bekannte Doppelbecher 
vom jahre 1526"" mit zu den vorgeschrittensten Dürerscher Kunst. Altdorfer, 
auf den der Renaissancetypus der Schale auf Fuß zurückzugeben scheint, 
Peter Flötner, Virgil Solis, I-Iolbein, der Meister von 1551 und andere 
beschäftigten sich mit Gefäß- und Geräteformen mannigfacher Art und die 
Praxis zeigt eine mit der Künstlerzeichnung ziemlich gleichgehende Form- 
entwicklung. Aber zu einer solchen Freiheit des Künstlerischen wie Cellini 
bei seinem Salzfaß für Franz I. ist kein deutscher Künstler gelangt. Jamnitzers 
berühmter Tafelaufsatz reicht in bezug auf künstlerische Klarheit an das 
Werk Cellinis nicht heran und man muß schon weit zurückgehen, bis auf 
eine Aachener Arbeit des XIV. Jahrhunderts, auf das Armreliquiar des 
heiligen Simeon,""'"" um auf ein Kunstwerk ähnlicher Freiheit und Größe zu 
stoßen. Bezeichnend für die Lage in der damaligen deutschen Goldschmiede- 
kunst ist die starke Entfaltung der Neugotik von röoo in diesem Kunstzweige, 
von Nürnberg ausgehendrl- Die Überfülle der Formen und das Überwuchem 
der leer gewordenen Ornamentik war in keinem Zweige des Kunsthandwerks 
so fühlbar geworden wie in dem der Goldschmiede. 
Eine Einilußnahme von Künstlern auf das Kunstgewerbe liegt natur- 
gemäß dort besonders nahe, wo es sich um ein ausgesprochenes Grenzgebiet 
zwischen Kunst und Kunsthandwerk handelt wie bei den Gobelins. 
4' Siehe Anmerkung Seite 48. 
n" Abgebildet bei Wölfflin, „Die Kunst Albrecht Dürers", 1905, Seite 242. 
'" Abgebildet bei v. Falke, „Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters", Frankfurt, x9o4, Tafel x14. 
T v. Falke, „Die Neugotik im deutschen Kunstgewerbe der Renaissance" im "Jahrbuch der preußischen 
Kunstsammlungen", Band 40,2, 1919-
	        
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