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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 181)

welcher der betreffenden Schule zur Verfügung steht. Ein Lehrplan soll 
keine Zwangsjacke sein, sondern ein Kleid, in dem man sich wohl fühlt 
und in welchem Schüler und Lehrer nicht in ihrer freien Bewegung und 
im Fortschreiten gehindert sind. Und es scheint, dass die sehr beschränkte 
Stundenzahl für das Zeichnen an Realschulen als eine Zwangsjacke em- 
pfunden wird, welche der Entfaltung des Talentes hindernd in den 
Weg tritt. 
Ein weiteres Hinderniss für den Zeichenunterricht im figuralen Fache 
an Realschulen ist der Mangel an liguraleu Vorlagewerken, sowohl an 
Gypsgüssen, als speciell an Blattvorlagen für das figurale Kopfzeichnen. 
Was uns der deutsche Markt bisher geboten hat, ist fast vollständig un- 
genügend. Die vom Berliner Museum nach Originalen geformten Gyps- 
köpfe, sowohl von Renaissance- als von antiken Originalen sind für unsere 
Schulen viel zu theuer. 
Ganz eminent sind ebenfalls einige photographirte Blätter nach 
Originalzeichnungen alter Meister im k. Kupferstich-Cabinet in Berlin, 
welche Fr. Lippmann mustergiltig herausgegeben hat; aber auch diese 
Publication ist nicht im Interesse der Schule, sondern in dem der Amateurs 
und Museen geschaffen. Da bleibt unter allen Publicationen für die Be- 
dürfnisse des Kunstunterrichtes außer Ravaisson im figuralen Fache 
nichts übrig, als das von Goupil veröffentlichte Werk von Bargue und 
Gerome. 
Prof. J. Langl hat vollständig recht, wenn er auf dieses Werk 
hinweist; es führt in die großen Meisterwerke des Alterthums und der 
Renaissance ein, ohne moderne Meister gänzlich auszuschließen. Mit den 
jetzt gebrauchten figuralen Vorlageblättern wird der Geist der Jugend 
nicht nach aufwärts und vorwärts, sondern nach rückwärts dirigirt. Es 
ist dies der große Vorzug der Vorlagen von Bargue und Gerome, 
dass sie auf den großen Fundamenten der französischen Akademie ruhen, 
dem Studium der Antike, der Natur und der großen Meister. Von diesen 
Grundlagen sind die Franzosen seit der Zeit der Gründung der Akademie 
durch Colbert nicht abgegangen; es herrscht in Folge dessen auch in 
ganz Frankreich eine gleiche Anschauung über die Grundprincipien des 
Zeichenunterrichtes. Diese Sicherheit, mit der die Franzosen vorgehen, 
spiegelt sich auch in dem genannten Werke ab, und die große Verbrei- 
tung, welche dasselbe in Oesterreich und wahrscheinlich auch in ganz 
Deutschland hat, beruht auf der sichern Erkenntniss dessen, was im Zeichen- 
unterrichte an Vorlageblättern benöthigt wird. In Deutschland hingegen 
hat der Kampf der Romantiker gegen die Antike und gegen die colo- 
ristischen Malerschulen das Studium der alten Meister des 15. und 16. Jahr- 
hunderts, die Anschauungen über die großen Principien im f-iguralen 
Zeichenunterrichte verwirrt und bei der in Deutschland herrschenden 
Neigung der Verherrlichung localer Grössen ist die klare Erkenntniss der 
großen Meister in der Malerei in den Hintergrund gedrängt worden 'und
	        
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