147
gezeichneten Meister des gothischen Styles, Friedrich Schmidt, der mit Pietät und
Gewissenhaftigkeit seine umfassenden Kenntnisse und die reichen Erfahrungen seiner
Künstlerlaufbahn an der Restauration verwerthete, haben wir es zu verdanken, dass heute
sich auch die Kanzel wieder in ihrer kaum geahnten ursprünglichen Schönheit aufbaut
und nun erst ihre volle Bedeutung für die Kunst zutage tritt. Der Umfang und die
Schwierigkeit der Restauration war aber weit grosser, als sich voraussehen lieB, und die
ganze Arbeit erforderte eine außerordentliche Umsicht und Sachkenntniss aller dabei thatig
gewesenen Kräfte, damit die Wiederherstellung des XVerkes zur Freude und zur Beruhigung
aller Kunstfreunde vollkommen gelang.
Zur Vornahme einer gründlichen Restauration wurde die Kanzel im Herbst: t878
abgetragen und dieselbe vorerst durch Anwendung warmer Lauge von dem Oelanstriche
befreit. Da zeigte sich, dass der aus Eichen- und Lindenholz angefertigte Schalldeckel mit
einer Temperafarbe überzogen war, ähnlich der natürlichen Farbe des Steines an der
Kanzel selbst. Eine eigentliche Polychromirung wiesen die Fleisclttheile an den Figuren'und
das Gewölbe des Schalldeckels auf; die Haare der Engel, einige Attribute und die Flügel
der Engel zeigten Spuren der Vergoldung. Soweit es sich erkennen ließ, war eine ähnliche
Polychromirung bei der Kanzel selbst in Anwendung. Welche Schwierigkeiten die
Restauration bot, mag daraus entnommen werden, dass von dem kleinen Portale am Fuße
der Kanzelstiege sich nur Stücke des Sockels und einer Fiale vorfanden. Mit Hilfe dieser
spärlichen Anhaltspunkte wurde das Portal erneuert. Nicht geringere Schwierigkeiten ver-
ursachte die Restauration des Schalldeckels. Kurze Zeit nach seiner Anfertigung wurden
an demselben wesentliche Veränderungen vorgenommen. Thatsachlich fanden an demselben
in den Jahren t597 und x65: Restaurationen statt. Erst nach wiederholten Versuchen
gelang es, die ursprünglichen Formen mit Sicherheit herauszufinden.
Mit der Restauration der Kanzel war es unvermeidlich, in diese auch den Pfeiler,
welchem sie angebaut ist, einzubeziehen. Derselbe ist mit sechs unter Baldachinen stehenden
Figuren geschmückt, welche im mittleren Langhause oben die heilige Katharina, unten
den heiligen Urban und den heiligen Reinhold, im Seitenschiffe oben die heilige Maria
mit dem Jesukinde, unten den Heiland und den heiligen Virgilius darstellen. Der Pfeiler
wurde von seiner Kienruß-Uebertünchung befreit und erhielt die natürliche Steinfarbe.
Durch Anwendung einer sorgfältigen Reinigung gelang es, den Figuren die ursprüngliche
Bemalung zu erhalten. in kunstgeschichtlicher Beziehung ist diese Restauration von nicht
geringerem lnteressc. Die Figuren mit ihren reizend ornamentitten Gewändern zeigen, rnit
welchet Discretion die Maler mit der Anwendung der Farbe und der Musterung der
Gewänder vergingen. Vergleicht man die stylistische Behandlung mit den Sculpturen an
der Kanzel, so zeigt sich auch hier der gewaltige Unterschied in der Zeitihrer Anfertigung.
Es ist unmöglich, anzunehmen, dass sie in einer Kunstepoche entstanden seien.
Nach einer mühevollen Arbeit von anderthalb Jahren war die Kanzel in ihren
ursprünglichen Stand versetzt; am diesjährigen Frohleichnamstage wurde sie dem ferneren
Gebrauche übergeben. An der Kanzel ist das Bruslbild des ursprünglichen Meisters mit
seinem Meisterzeichen angebracht; unterhalb desselben wurde eine kleine Tafel mit der
Jahreszahl t88n und dem Meisterzeichen des gegenwärtigen Dombaumeisters eingelassen.
Es sollen aber auch die tüchtigen Männer nicht vergessen werden, welche zum Gelingen
des Werkes wesentlich mithalfen; es waren dies der Bauführer Architekt Herrman n,
der Steinmetzpolier Baumgartner und die Gehilfen Sederl, Kbrnerund Zdeborsky,
ferners die Bildhauer Schönthaler, Erler und Ziebland mit ihren Gehilfen Weiser
und Schlosser, Schlosserrneister A. Biro und Vergolder P. Reitner.
Eine andere Frage drängt sich aber bei Betrachtung der Restaurirung der Kanzel
und des Pfeilers heran. Soll diese vereinzelt bleiben? ist für das Auge der verwahrloste
Bestand der übrigen Theilc des Langhauses nicht geradem beleidigend? Fordert esnicht
die Pietät für den Dom, die Schönheit des plastischen Schmuckes, welcher durch die
Restauration der Kanzel und der Pfeilcrtiguren zutage tritt, dass das begonnene Werk
vollendet werde? Um den historischen Charakter der Kirche zu wahren, würden wir uns
entschieden für die Beibehaltung der Altäre aussprechen, aber eben so dringend wünschen,
dass der bauliche Theil des Langhauses in seinem ursprünglichen Bestande vollständig
hergestellt werde, damit das große Werk der Wiederherstellung des schönsten Wahr-
, zeichcns unserer Stadt würdig zum Abschlusse gebracht wird. (W. A. P.)