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und Ofenkacheln an Zahl die übrige Hafnerwaare übertreHen. Mit be-
sonderer Vorliebe wurde in jener Zeit die plastische Decoration bei Ofen-
kacheln wie bei Gefäßen angewendet, und diese auch in reichem Farben-
schmucke erscheinen zu lassen, bildete den Stolz der damaligen Töpfer.
Eine chronologisch geordnete Zusammenstellung der hervorragendsten
buntglasirten Thonwaaren des germanischen Museums in Nürnberg hat
Essenwein in den eingangserwähnten Artikeln durchgeführt. Wir finden
hier treHliche Arbeiten vom 15. bis zum 18. Jahrhundert aus Tirol, aus
der Schweiz, vorn Rheine, aus Schwaben, Franken, Sachsen, Hessen und
von der Ostseeküste zusammengestellt. Dieselbe Mannigfaltigkeit und
ausgedehnte geographische Verbreitung linden wir auch bei Demrnin") nach-
gewiesen, und wenngleich seinen Ausführungen die Zukunft noch manche
Ergänzungen und Correcturen hinzuzufügen haben wird, so dürfte seine
Eintheilung in sechs große Industriegebiete von der Ostsee bis an die
Alpen eher eine Erweiterung als eine Einschränkung erfahren. An localen
Specialforschungen, auf welche allein die gründliche Erkenntniss sich
aufbauen kann, besteht aber noch ein so empfindlicher Mangel, dass wir
uns bei Besprechung der Sammlung auf das Allgemeine und Aeußerliche
beschränken müssen, ohne den historischen Zusammenhang herstellen
zu können.
Zu den ältesten Objecten mit Ausnahme der bereits angeführten,
gehören vier buntglasirte Kacheln von einem Ofen aus der Sakristei der
Stefanskirche in Wien aus dem rS. Jahrhundert. Die meisten anderen
dazu gehörigen Stücke befinden sich im german. Museum zu Nürnberg.
Diese Kacheln, wahrscheinlich Wiener Arbeit, sind nach innen cylindrich
ausgebaucht und zeigen in gothischer Umrahmung hgurale Reliefs. Nr. z
hat eine sehr dünne weiße Glasur, so dass der röthliche Thon durch-
scheint und ebenso sind auch die wenigen anderen Farben dünn auf-
getragen. ln der inneren Hohlfläche sieht man die Vertreibung aus dem
Paradiese. Hinter Adam und Eva schreitet der Engel mit dem Schwerte,
der sie eben vor das Thor des Paradieses gebracht hat, dieses wird von-
einer zinnenbekrönnten Mauer umschlossen, über welche der Baum mit
den verbotenen Früchten emporragt. Die drei anderen Kacheln (Nr. 3, 4
und 5) haben eine dickere, gelblichweiße Glasur als Grund, worauf noch
Blau, Grün und Gelb zur Anwendung kam; sie zeigen St. Nicolaus,
St. Christophorus und St. Sebastian in Relief. Diesen Stücken dürfte eine
Hache grüne Kachel (Nr. 9) an Alter nahe kommen, auf welcher wir
St. Georg zu Pferd den Drachen tödtend erblicken. Die Zeichnung ist
voll Charakter und steht noch ganz unter dem Einflusse der Gothik. -
Durch Schönheit -und große Schärfe des Reliefs ausgezeichnet sind sechs
dünne Ofenkacheln (Nr. 2) aus gebranntem Thon, deren Außenseite un-
') A. Demmin: Guide de Pamateur de fniences et porcelaiues. 4' ädix. Paris 1873.
S. 2r3-37x.