4.013
Dagegen findet besondere Bevorzugung die Groteskenarabeske. Wohl
die herrlichsten Gebilde auf diesem Felde verdanken wir den genialen
Zeichnungen Mielichs.
Diese Hotte Behandlung des allerdings etwas eigenthümlichen Pflan-
zenwuchses, die Behandlung des Figürlichen und der halbplianzlichen
Phantasiegebilde männlich und weiblich in der originellsten und freiesten
Darstellung, diese phantastischen Kampfscenen in dem lustigen Ranken-
gewirr sind köstliche Erzeugnisse einer geschulten und üppig erblühenden
Phantasie, wie sie selbst den Italienern nicht eigen war. Diese Arabesken-
form fand in kurzer Zeit in Deutschland die allgemeinste Anerkennung
und die allgemeine Structur der Zeit, die sich in phantastischen Kleidern,
in öffentlichen Aufzügen und Scherzen so charakteristisch abspiegelte, ist
gewiss auch auf diese Bevorzugung von Einfluss geworden.
Neben der Groteskenarabeske kommen aber in Deutschland noch
drei verschiedene Arabeskenarten zur Geltung, die hier einen mehr oder
weniger selbständigen Charakter annehmen.
Die erste Gattung ist die eigentliche Arabeske , das specitisch ara-
bische Ornament. Jeder kennt das geniale Linienspiel, mit dem die Völker
des Islam ihre Gewänder und Teppiche, KNaHen und Geräthe und Gefäße,
ihre Fußböden, Wände und Flächen der Häuser, kurz Alles, was Fläche
bot, verzierten.
Diese arabische Flächenverzierung, die Arabeske, kam auf doppeltem
Wege nach Italien und von da nach Deutschland, von Spanien aus und
vom Orient, namentlich Persien. Merkwürdig dabei ist, dass die Deutschen
damals ein viel feineres Assimilationsvermögen als die Italiener bewiesen,
denn unter ihren Händen ging die Arabeske eine Stilwechslung ein, die
von der schönsten Wirkung war und ihre Anwendung zu einer univer-
sellen gestaltete. Namentlich waren es die Kleinmeister, welche, wie Virgil
Solis, BfZahn u. A., dieses vmoreske und türkische Zugwerku verbrei-
teten, zahlreiche Beispiele davon gaben und so ein eigenes Decorationsfach
begründeten.
Wie die Franzosen und Engländer heute japanische Decorations-
stücke für ihre Kunstwerke verwerthen und dieser ostasiatischen Kunst-
richtung Eingang bei uns und eine neue Heimat geschaffen hatten, so
trugen die Kleinmeister des 16. Jahrhunderts die orientalische Arabeske
in alle Werkstätten und sicherten ihr durch zahllose Kupferstiche eine
ungemessene Verbreitung und ewige Dauer.
Diese Lineararabeske wird ein Lieblingsornament der gesammten
deutschen Metallindustrie. Geätzt und gravirt verziert es die Waden und
Rüstungen, in Silber- und Goldtauschirung gibt es dem Eisen eine höhere
Werthclasse, in Niello und Email überdeckt es die Gegenstände aus Edel-
metall, in Silber und Gold. Ewig wechselnd im Besonderen und doch im
Allgemeinen sich gleich, sehen wir bald im ganzen deutschen Handwerk