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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1875 / 114)

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Gewerbe vervollkommnet sie nicht die Industrie; sie ist nur deren Bild und blos eine 
erste Stufe der Wissenschaftlichkeit gegenüber der vergleichenden Technologie, welche 
ausgeht von dem Arbeitsbegritfe. Dieser letztere ergibt sich aus den naturnothwendigen 
Beziehungen zwischen den elementaren und für die Industrie vorzugsweise massgebenden 
Eigenschaften der Körper, der Elasticitlt, Bildsamkeit und Theilbarkeit einerseits und den 
zur Erzielung bestimmter Erfolge sich an diese Eigenschaften eng anschliessenden Arbeits- 
hilfsmitteln andererseits. Unter diesem Gesichtspunkte stellt nun die vergleichende Tech- 
nologie, unbekümmert um die Gewerbebegriife, grosse Reihen von Rohstoffen zusammen, 
z. B. für die Giesserei alle bekannten schmelzbaren Körper, von den härtesten bis zum 
leichttiüssigeu Stearin. Aus der Beobachtung des Verhältnisses dieser Körper zu einander 
und ihrer beabsichtigten Verwendung in der Industrie ergeben sich sodann auf Grundlage 
der Chemie und Physik leicht die Gesetze ihrer richtigen Behandlung und leicht auch 
Hinweise auf neue Wege zur Erlangung neuer Resultate. So ist also nur von dieser noch 
jungen Wissenschaft ein Fortschritt der industriellen Thatigkeit betreifs ihres Umfanges 
und ihrer Technik zu helfen. Unstreitig gilt dies auch für das Kunstgewerba, welches 
bisher von der beschreibenden Technologie sogar ganz beiseite gelassen und vernachlässigt 
wurde, aus Scheu, der Würde des künstlerischen Geistes zu nahe zu treten. Doch bewahrt 
eben die Erhabenheit der Kunst dieselbe vor jeder Verletzung, wenn auch der handwerk- 
liche Theil der Kunstübung in den Bereich der wissenschaftlichen Bearbeitung durch die 
vergleichende Technologie gezogen wird. Der Vortragende schloss daher mit dem Wunsche, 
es möge dieser Schritt recht bald vollzogen werden und hiemit das Kunstgewerbe, dessen 
Hebung in ästhetischer formeller Richtung die Parole unserer Zeit geworden ist, auch in 
technischer Beziehung der Segnungen theilhaftig werden, welche die vergleichende Tech- 
nologie bereits so vielen anderen Zweigen der Industrie zugewendet hat. 
Am 4. Februar hielt Herr Professor Karl v. Lützow einen Vortrag uüber Peter 
v. Corneliusn. Anknüpfend an seine eigene Erinnerung, zeichnete er zuerst ein Bild von 
der persönlichen Erscheinung des Künstlers mit dem scharfen Feldherrnauge, das gleich 
den Heros im Reiche des Geistes verrieth und machtvoll seine ganze Umgebung beherrschte. 
Am Faden der Biographie und unterstützt durch die Sammlung von des Meisters Briefen. 
welche Ernst Förster verölfentlicht hat, verschaffte der Vortr gende hierauf einen Einblick 
in die Werkstätte dieses grossen Geistes, der, durch und duSch eine eigengeartete Kraft- 
natur, wenn nicht der Schöpfer, so doch Wiederbeleber der deutschen Kunst wurde. Am 
13. September 1783 zu Düsseldorf geboren, von seinen Lehrern verkannt, rang sich der 
junge Künstler, mit felsenfester Ueberzeugung von seinem erhabenen Berufe, nicht ohne 
materielle Schwierigkeit seinem Ideale entgegen. In seinem Innern gährte es noch ge- 
waltig, nach Italien und zum klassischen Alterthum zog ihn seine reiche Phantasie; erst 
die Uebersiedlung nach Frankfurt im Jahre 180 änderte sein Verhaltniss zur deutschen 
Kunst. Der romantische Zug der Zeit kam auch bei ihm zum Durchbruch und die Dar- 
stellung des deutschen Faust-Stoffes siegte über Rorneo und den Cid. 
Als im Jahre 18H sein I-Ierzenswunsch einer Reise nach Italien verwirklicht wurde, 
sog er sich voll der Begeisterung für die grosse monumentale Kunst des Cinquecento und 
wünschte auch die deutsche Kunst zu leicher Höhe gehoben. Dazu musste vor Allem 
die Duodezkunst der Almanache weggeäegt und die Frescomalerei erneuert werden. Die 
Durchführung seiner Ideen ward ihm ermöglicht durch die Auftrage des preussischen 
Generalconsuls Bartholdy und des Marchese Massimi. In Rom ist also die Geburtsstätte 
unserer neuen Kunst, grossgezogen wurde sie auf heimatlichem Boden, seitdem Cornelius 
1819 zum Director der Düsseldorfer Akademie ernannt und gleichzeitig während der 
Sommermonate für König Ludwig in der Glyptothek zu München thatig war. nNicht 
todte Theorie, sondern lebendiges Beispiela war sein Princip als Lehrer und in Weise 
der alten Meister machte er seine Schüler zu Gehilfen seiner grossen Arbeiten. 
Die Abnahme der Gunst König Ludwigs und ein Conflict mit dessen Liebling, dem 
Architekten Klenze, führte Cornelius nach Berlin, wo ihm die Plane Friedrich Wilhelms IV. 
für Erbauung eines Domes und Campo Santa würdige Aufgaben boten und deren Lösung 
auch in grossartigen Cartons unübertreßlich gelang. Ausgeführt wurden diese Canons 
leider nie und 1867 stand der letzte an des Meisters Sarge. 
Cornelius war ein heldenhafter, kampfesiroher Geist, wie Genelli ein Sturmbock 
gegen die Zinnen des Zopfthums, das verkörperte Princip der neuen deutschen Kunst. 
i-Glühend und strenge, wie er Dürer fand, so war auch er mit einem tragischen Zug in 
seinem Wesen, fern von der bestechenden, aber maskenhaft kalten Schönheit der modernen 
Ideenmalerei eines Kaulbach, voll ungeheurer Wucht und Fülle in seinen Schöpfungen 
und dabei doch wieder unendlich einfach. 
Am n. Februar folgte Professor Dr. Frisch mit seinem Vortrage uüber die ana- 
tomischen Lehren des ,Trattato della pittura' von Leonardo da Vincia, jenem Universal- 
genie, wie deren das Menschengeschlecht bisher nur wenige aufzuweisen hat. Als Einleitung 
dienten einige biographische Notizen, besonders über des Künstlers Verhaltniss zu dem
	        
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