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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1875 / 116)

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nichts über ihn zu berichten, denn die Werke dieses Malers waren nicht zur Hand und 
vielleicht eben deshalb war auch sein Name verloren gegangen. Da gelingt es dem For- 
schergeiste eines österreichischen Gelehrten, authentische und vollständige Daten über ihn 
aufzufinden. Der Maler steht nun lebendig vor unseren Augen; denn er spricht durch 
selbstgeschriebene Aufzeichnungen aber sein Leben und von seinen Arbeiten zu uns. 
Ausserdetn ist es nicht allein seine Sache, die hier in Betracht kommt, sondern es tritt 
die Kunstgeschichte in ihre Rechte. Und doch sind seitdem zehn Jahre verstrichen, die 
zu gar nichts weiter benützt werden konnten als dazu, den ganzen Seisenegger wieder zu 
vergessen, weil immer noch kein grosseres Werk von ihm zur Hand war. Da taucht auf 
einmal ein Bild von ihm auf. Und zwar kein geringeres als dasjenige, welches er, nach 
Bologna berufen, von Karl V. malte. 
Sofort muss erkannt werden, dass ein anderes Bild des Kaisers, welches seit 90 
Jahren in der kais. Galerie als Tizian, später als seine Schule bekannt ist, kein Tizian, 
sondern nur ein Seisenegger ist. Ebenso geht es mit einer Zeichnung, welche in der kais. 
Akademie der bildenden Künste seit lange als ein Werk Tizians gilt und die jetzt als eine 
Arbeit Seiseneggers erkannt werden muss. Die Documente erhalten jetzt grössere Geltung, 
seinen Werken gegenüber herrscht aber noch ein gewisses Misstrauen, welches sich 
eigenthumlich aussert: man wird besorgt um Tizians Grösse. Als wenn man Seisenegger 
so stark loben konnte, dass dadurch der Grösse Tizians Eintrag geschieht! Als ob der 
grosse Tizian noch grosser werden könnte, wenn Seisenegger klein gemacht wird! 
Die Kunstgeschichte zahlt nicht lauter Tizians auf. Sie beschäftigt sich auch mit 
sehr kleinen Leuten, damit sie für die Grossen den richtigen Maßstab habe. Und die 
kleinsten waren es sicherlich nicht, die Kaiser Karl an seinen Hof berief und neben 
Tizian malen liess. 
Ich habe diese Angelegenheit hier noch einmal zur Sprache gebracht, weil Seisen- 
eggers Name in der Galerie Aufnahme linden wird und weil ich gesonnen bin, meine 
Bemühungenndiesen deutschen Maler zu rehabilitiren, fortzusetzen. ich werde im Herbste 
Spanien bereisen. Vielleicht gelingt es mir, dort von den vielen Arbeiten, welche Seisen- 
e ger für und in Spanien gemacht hat, etwas aufzufinden. Vielleicht interessiren sich die 
Spanier für den deutschen und österreichischen Maler, den Karl V. zu ihnen sandte, um 
dort seine Familie malen zu lassen. 
Mit dem Hcrvorkommen der Bilder aus den Depöts und der Vermehrung der Auf- 
stellungsobjecte steht die Restauration derselben im Zusammenhange. Es ist bekannt, wie 
im Belvedere restaurirt wird und welche Principien hier die leitenden sind. Es ist der 
Geist der Pietat für die alten Meisterwerke, welcher von Erasmus Engert seiner Schule 
eingehaucht wurde. Es ist die Erkenntniss der Verderblichkeit der alten Quacksalberei 
und der wunderthatigen kosmetischen Geheimmittel, mit welchen einst gewisscnlos aus 
alten Bildern neue gemacht wurden. War es doch damit so weit gekommen, dass jetzt 
das Auftauchen eines alten Bildes, welches, wenn auch schadhaft, wenigstens keine 
Spuren schon erduldeter Restauration an sich tragt, zu den glücklichen Funden gehört 
und demnach im Werthe steigt. Die richtige Pflege einer Galerie wird immer in der 
Sorge gipfeln, dass die Bilder nicht restaudrungsbedurftig werden. Wo aber die Zeit zu 
zerstören beginnt, dort müssen rechtzeitig die einfachsten Mittel Anwendung finden. 
Das Losungswort in der Belvedere-Galerie lautet desshalb: Weder Kosmetik, noch 
Kunststücke, sondern Pflege und Erhaltung. In diesem Sinne arbeitet die Restaurirschule 
der kais. Galerie und spätere Zeiten werden hoflentlich keinen Grund zu Klagen haben. 
Ich komme nun zur Aufstellung der Galerie im neuen Hause. Damit im Zusammen- 
hange steht die Frage nach Raum und Licht. Ich will dem Architekten des Hauses nicht 
vergreifen; es ist aber unmöglich, von der Aufstellung von Bildern zu sprechen, ohne 
die Raum- und Lichtfrage zu berühren und je grdsser die Dimensionen sind, welche 
dabei platzgreifen, desto schwieriger wird ihre Losung. Wenn es sich um die Aufstellung 
eines Bildes handelt, dann braucht es nicht viel Ueberlegung; jeder Maler weiss sein 
Bild ins beste Licht zu stellen. Aber die Schwierigkeiten kommen und wachsen mit der 
Zahl der Bilder, mit der Anzahl der nothwendig werdenden Raume und die Architektur 
hat dann einen förmlichen Kampf mit dem Bedürfniss zu bestehen. ' 
Das Bedurfniss, Kunstsammlungen in eigens dazu erbauten Hausern aufzustellen, 
ist modern und der Versuch der Vereinigung desselben mit einer der höchsten Aufgaben 
monumentaler Architektur musste eine schöne, aber auch schwere Aufgabe für die neueren 
Architekten werden. 
Es ist um die richtige Lösung dieser Aufgabe seit Decennien an verschiedenen 
Orten mit aller Hingebung und mit Aufgebot der besten Kräfte gekämpft worden und 
der Kampf war um so schwieriger, als das Bedurfniss selbst nicht sichergestellt war und 
die auseinandergehendsten Anforderungen an die Architekten gestellt wurden.
	        
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