58
Kustroma, Niänei Novgorod und Kasan. Von da aus breitet sich die Haus-
industrie intensiv nach Osten aus und wird stetig schwächer gegen Süden
und Westen.
Ueber die Ausbreitung der Hausindustrie auf böhmischem und pol-
nischem Gebiete fehlen uns zuverlässige Angaben, doch kann es als fest-
stehend angenommen werden, dass die Hausindustrie dort, wo sie, wie
stellenweise in Galizien, nach Art der Großindustrie organisirt wurde,
ihrem Verfall entgegengeht.
In Ungarn blüht die Hausindustrie in den slavischen Comitaten in
reicher Fülle.
In Croatien und Slavonien'ist sie am meisten in jenen Gegenden
ausgebreitet, die am längsten mit dem Orient in Berührung waren; wo
das abendländische Element an sie herantritt, weicht sie zurück. _
In Dalmatien ist die Industrie schon zu einer städtischen geworden,
und lebt dieselbe von altvenetianischen Traditionen, während in Bosnien,
der I-Ierzegovina, Montenegro und Serbien die Zustände denen des übrigen
Orientes gleichen.
Die Hausindustrie basirt sowohl in Russland als auch in Croatien
und Slavonien auf der slavischen Institution der Hauscommunionen, ja
sie ist durch diese Art der Familienorganisation so sehr bedingt, dass sie
mit der Auflösung derselben rasch verfällt.
Die russische Hauscommunion ist eine andere, als die croatische
und serbische. Dort ist es eine Gemeindecommunion, hier nur eine Gemein-
schaft des Familienbesitzes. In Russland ist der Vorstand der Hauscom-
munion zugleich Meister, die Mitglieder der Familie arbeiten ohne Lohn
zu Nutzen des gemeinsamen Haushaltes und der Gemeinde; bei den
Croaten und Serben arbeiten alle Familienmitglieder nur bei der Feld-
arbeit für den gemeinsamen Besitz, die Erzeugnisse der Hausindustrie
sind Privateigenthum des Erzeugers.
In dem Einen stimmt die russische und croatische nationale Industrie
überein, dass es eine echte, wahre Hausindustrie ist. Die Bauern und
Bäuerinnen beschäftigen sich nämlich nur dann damit, wenn die Feld-
arbeit ruht, die Arbeitszeit ist also eine beschränkte. Der Unterschied
liegt darin, dass in Russland die Hausindustrie ein bedeutendes Erwerbs-
mittel für das Volk ist, während bei den Croaten und Serben nur das
erzeugt wird, was für den Hausgebrauch nöthig ist.
In Russland wird Leinwand aller Art von den Bauern auf die
Märkte nach Moskau und St. Petersburg geliefert, das Gouvernement
Wjatka verdient allein eine Million Rubel durch Lieferungen für die
Armee, ein einziges Dorf, Velikoje, im Gouvernement Jaroslav, das nur
1750 Einwohner zählt, setzt jährlich 100.000 Rubel um. In Croatien
bringen die Bäuerinnen aus der Umgebung Agrams stark mit Baumwolle
durchsetzte Leinwand auf den Markt, während die bessere und schönere
slavonische Leinwand gar nicht im Handel vorkommt.